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Gebrauchtwagenkaufvertrag – Wissensmitteilung über „abgelesenen Tachostand“

LG Offenburg, Az.: 3 O 180/12

Urteil vom 25.10.2013

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Gebrauchtwagenkaufvertrag - Wissensmitteilung über "abgelesenen Tachostand"
Foto: Burdun/Bigstock

Der Kläger erwarb mit schriftlichem Kaufvertrag vom 04.06.2011 bei dem Beklagten, der gewerblich mit Auto handelnd, einen PKW Citroen C4 Picasso 2,0 HDI zum Preis von 14.990,00 EUR. Wegen des Inhaltes des Kaufvertrages wird auf die zu den Akten gereichte Fotokopie (Anl. K1) Bezug genommen. Der Kläger hat den Kauf des Fahrzeuges bei der XXX Bank finanziert. Im Zuge einer Urlaubsreise des Klägers in die Türkei trat am 02.08.2011 ein Motorschaden an dem Fahrzeug auf. Das Fahrzeug wurde nach Deutschland und in die Werkstatt des Beklagten gebracht. Hierdurch sind dem Kläger weitere Kosten entstanden, für die im einzelnen auf die Klageschrift verwiesen wird. Mit Schreiben vom 19.01.2012 ließ der Kläger den Beklagten anwaltlich unter Fristsetzung zum 09.02.2012 erfolglos zur Nachbesserung auffordern. Mit Schreiben vom 22.03.2012 hat der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Zur Begründung trägt er vor, das Fahrzeug sei mangelhaft. Er sei Verbraucher und nicht Unternehmer. Eine falsche Betankung des Fahrzeugs habe nicht stattgefunden. Mit Schriftsatz vom 19.06.2013 hat der Kläger schließlich den Kaufvertrag angefochten, weil das Fahrzeug beim Verkauf entsprechend den Feststellungen des Sachverständigen eine Laufleistung von 255.604 km statt 74.000 km gehabt habe

Der Kläger beantragt mit der am 06.07.2012 zugestellten Klage unter teilweiser Klagerücknahme:

1. Den Beklagten zu verurteilen, an die XXX Bank zur Vertragsnummer 1540159900 einen Betrag in Höhe von 4.120,00 EUR sowie an den Kläger einen Betrag in Höhe von 10.870,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.04.2012 Zug um Zug gegen Rückübereignung des PKW Citroën C4 Picasso 2.0, FIN: VF7UARHJH45074995 zu zahlen.

2. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 899,40 EUR an vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beruft sich auf die Vereinbarung eines Gewährleistungsausschlusses. Der Kläger habe den Wagen als Unternehmer im Sinne des §§ 14 BGB gekauft und dies dem schriftlichen Kaufvertrag so versichert. Er könne sich daher nicht darauf berufen, Verbraucher zu sein. Ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag bestehe nicht. Es werde bestritten, dass das Fahrzeug bei Übergabe an den Kläger mangelhaft gewesen sei. Vielmehr liege die Vermutung nahe dass der Kläger den Schaden selbst zu verantworten habe, weil er Benzin statt Diesel getankt worden. Fürsorglich bestreitet der Beklagte die geltend gemachten Rückführungskosten.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die gerichtlichen Protokolle verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens, das durch den Sachverständigen Gruppe schriftlich erstattet und in der mündlichen Verhandlung am 04.10.2013 erläutert wurde. Für den Inhalt des schriftlichen Gutachtens wird auf die AS 129 ff., für die mündliche Erläuterung auf das Protokoll vom 04.10.2013 (AS 245 ff.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

A. Dem Kläger steht wegen der von ihm erklärten Anfechtung des Kaufvertrages des Kaufvertrages ein Rückzahlungsanspruch nicht zu, da der Kaufvertrag nicht rechtswirksam angefochten worden ist.

I. Gründe für eine Anfechtung des Vertrages wegen eines Inhalts oder Erklärungsirrtums im Sinne von § 119 BGB sind nicht dargelegt.

II. Auch die Voraussetzungen einer wirksamen Anfechtung des Vertrages wegen einer arglistigen Täuschung sind nicht schlüssig dargelegt. Nach § 123 BGB setzt dies voraus, dass der Kläger arglistig getäuscht worden wäre. Offensichtlich meint der Kläger hier die Angabe zur Laufleistung des Fahrzeugs im schriftlichen Kaufvertrag. Zwar geht der Sachverständige aufgrund seiner Begutachtung des Fahrzeugs davon aus, dass das Fahrzeug stand 74.000 km eine Laufleistung von rund 255.000 km gehabt haben muss. Der Kläger hat jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Beklagte dies gewusst hat.

B. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 437 Nr. 2, 323, 326 Abs. 5 BGB wegen eines Rücktritts vom Kaufvertrag nicht zu.

Nach den genannten Vorschriften kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache mangelhaft ist. Dies ist hier nicht der Fall.

I. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, „… wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat …“. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist die Sache, soweit eine bestimmte Beschaffenheit nicht vereinbart ist, frei von Sachmängeln,

• wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet (Nr. 1) oder

• wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (Nr. 2).

1. Eine Abweichung der vereinbarten Beschaffenheit von der tatsächlichen Beschaffenheit des Fahrzeugs liegt nicht darin, dass das Fahrzeug nach den Feststellungen des Sachverständigen eine möglicherweise deutlich höhere Laufleistung hat als im Kaufvertrag erwähnt (255.604 km statt 74.000 km). Im Kaufvertrag heißt es: „… ABG. TACHO STAND : 74.000 …“. Dies kann nur als „abgelesener Tachostand“ verstanden werden. Bei einer solchen Formulierung handelt es sich weder um eine positive noch eine negative Beschaffenheitsvereinbarung, sondern lediglich um eine Wissenserklärung oder Wissensmitteilung, die erkennbar auf eine objektiv feststellbare und überprüfbare Information Bezug nimmt, deren Erklärungswert jedoch beschränkt ist und für deren Richtigkeit der Verkäufer durch die Einschränkung „abgelesen“ gerade nicht einstehen will (so BGH NJW 2008, 1517 für die vergleichbare Formulierung „Unfallschäden lt. Vorbesitzer Nein“; vgl. zur Zusicherung einer Eigenschaft der Kaufsache im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB aF BGHZ 135, 393, 398). Das Auto war daher bei der Übergabe nicht deshalb mangelhaft, weil der angelesene Tachostand nicht stimmte.

2. Nach § 446 Satz 1 BGB geht die Gefahr mit Übergabe der verkauften Sache über. Der hier in Rede stehende Motorschaden, der dazu führte, dass das Fahrzeug nicht mehr fahrbereit war und abgeschleppt werden musste, ist zwar eine dem Kläger nachteilige Abweichung der sogenannten Istbeschaffenheit von der Sollbeschaffenheit. Dieser Defekt lag jedoch bei Übergabe des Fahrzeugs am noch nicht vor. Eine Sachmängelhaftung des Beklagten kommt daher insoweit nur dann in Betracht, wenn der Motorschaden seinerseits auf eine Ursache zurückzuführen ist, die eine vertragswidrige Beschaffenheit des Fahrzeugs darstellt und die bei Gefahrübergang bereits vorhanden war (BGHZ 159, 215, 218).

a) Eine irrtümliche Verwendung von Benzin statt Diesel – wofür der Kläger verantwortlich wäre – hat der Sachverständige in seinem Gutachten als Schadensursache ausgeschlossen. Möglicherweise ist nachträglich Benzin in den Motorkreislauf eingefüllt worden, von wem auch immer. Dies ist jedoch für die kaufvertragsrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes ohne Belang.

b) Als Schadensursache kommen nach den Feststellungen des Sachverständigen zwei Möglichkeiten in Frage

– ein Bruch des Ventiltellers, der zwischen Ventil und Kolben geriet und dadurch ein Aufschlagen des Ventils gegen den Kipphebel verursacht hat, der dadurch gebrochen ist;

– ein Riss des Zahnriemens, was die Synchronisation zwischen Kurbel- und Nockenwelle stört und dazu geführt hat, dass die Kolben auf die Ventile aufschlagen konnten.

Nach Ansicht des Sachverständigen ist die erste Möglichkeit die wahrscheinlichere. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Die teilweise Entsorgung der Motorteile ist dabei im Ergebnis ohne Belang, da ihre Einbeziehung in das Gutachten nach den Ausführungen des Sachverständigen zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte. Entscheidend ist, dass es sich in beiden Fällen um ein mechanisches Versagen eines Bauteiles handelt, was im Hinblick auf die großen Laufleistung von über 250.000 km einen normaler Verschleiß darstellt, der, sofern wie hier keine besonderen Umstände gegeben sind, keinen Mangel darstellt (vgl. zum alten Recht OLG Karlsruhe, NJW-RR 1988, 1138, 1139; zum neuen Recht OLG Köln, ZGS 2004, 40; KG ZGS 2005, 76; OLG Celle, NJW 2004, 3566; BGH NJW 2006, 434-437; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdnr. 1228 ff.; MünchKommBGB/Westermann, 4. Aufl. § 434 Rdnr. 58).

II. Der Kläger hat auch keinen Anspruch wegen eines arglistigen Verhaltens des Beklagten.

1. Der Kläger behauptet nicht, dass der Beklagte von einer möglichen Manipulation des Tachometers gewusst hat oder diese hätte erkennen können. Dies scheidet daher als Anknüpfungstatsache für eine mögliche Haftung des Beklagten aus.

2. Falls der Beklagte nach Eintritt des Schadens in seiner Werkstatt Benzin in den Tank des Fahrzeugs fabriziert haben sollte, um eine Falschbetankung vorzutäuschen, so hat dies auf die Entscheidung des Rechtsstreits keine Auswirkungen gehabt, weil es weder die Rechtslage noch die tatsächliche Grundlage für die Entscheidung des Rechtsstreits zum Nachteil des Klägers verändert hat. Gleiches gilt für den Umstand, dass kurz vor der Begutachtung wesentliche Teile des Motors entsorgt worden sind. Beides hat sich im Ergebnis nicht zum Nachteil des Klägers ausgewirkt.

C. Da somit kein Hauptsacheanspruch besteht, schuldet der Beklagte auch keinen Verzugszins als Verzugsschaden. Gleiches gilt für die Geltendmachung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwalts Kosten.

B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteilsberuht auf § 709. ZPO.

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