LG Köln, Az.: 21 O 465/15, Urteil vom 14.02.2017
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin erwarb am 23.02.2015 bei der Beklagten einen neuen VW T 5 Multivan zum Preis von 62.000,- EUR. Das Fahrzeug wurde am 27.05.2015 auf sie zugelassen. In den Fahrzeugpapieren war als Höchstgeschwindigkeit 188 km/h vermerkt.
Am 30.06.2015 reklamierte die Klägerin erstmals, dass das Fahrzeug diese Geschwindigkeit nicht erreichte. Erneut wurde sie deswegen am 16.07.2015 bei der Beklagten vorstellig. Sodann ließ die Klägerin das Fahrzeug bei der Firma L untersuchen, wofür sie 180,- EUR aufwendete.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.08.2015 ließ die Klägerin der Beklagten mitteilen, dass sie zum Rücktritt berechtigt sei, bat aber zunächst um eine einvernehmliche Lösung, die nicht zustande kam. Sodann wurde am 06.10.2015 der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
Die Klägerin behauptet, das Fahrzeug erreiche lediglich eine Höchstgeschwindigkeit von 175,02 km/h. Dies sei bei der Firma L durch Messungen nach der DIN festgestellt worden. Dieser Mangel sei nicht behebbar. Auf ihren Rückzahlungsanspruch lässt sich die Klägerin eine Nutzungsentschädigung von 3.530,90 EUR für 8.500 gefahrene km anrechnen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw VW, Fahrgestell-Nr.: …, polizeiliches Kennzeichen: …, an sie einen Betrag von 58.649,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2015 zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. beschriebenen Fahrzeuges im Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an die Zürich Rechtsschutzversicherung unter der Schd-Nr.: … vorgerichtliche entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, mit der Klägerin sei eine Probefahrt von Blankenheim aus auf der BAB 1 durchgeführt worden, bei der das Fahrzeug die verlangte Höchstgeschwindigkeit von 188 km/h erreicht habe. Das Fahrzeug entspreche dem Stand der Technik und weise keinen rechtlich oder tatsächlich relevanten Mangel auf. Jedenfalls würde die Beklagte hierfür aus Rechtsgründen nicht haften. Die Nutzungsentschädigung belaufe sich richtigerweise auf 3.738,60 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 05.02.2016. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen O vom 09.10.2016 sowie die ergänzende Stellungnahme hierzu vom 06.12.2016 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 326 Abs. 5 BGB nicht zu. Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht angeführt.
Dass das von der Klägerin unstreitig bei der Beklagten erworbene Fahrzeug einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB aufweist, konnte nicht festgestellt werden.
Zwar darf der Käufer prinzipiell darauf vertrauen, dass die angegebene Höchstgeschwindigkeit ohne anderslautende Hinweise des Herstellers oder Verkäufers grundsätzlich erreicht wird. Ein zum Vertragsrücktritt berechtigender wesentlicher Mangel des Fahrzeugs liegt jedenfalls dann vor, wenn die tatsächlich erreichbare Höchstgeschwindigkeit um mehr als 5 % von der dem Käufer vorher mitgeteilten abweicht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07. September 2005 – I-3 U 8/04 -, juris).
Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit fest, dass das streitgegenständliche Fahrzeug die in den Papieren angegebene Höchstgeschwindigkeit nicht erreicht.
Der Sachverständige O hat die Beweisfrage verneint und festgestellt, dass das Fahrzeug unter Berücksichtigung von Messtoleranzen eine Höchstgeschwindigkeit von 180 bis 186 km/h erreicht, wobei es jeweils nicht voll ausbeschleunigt werden konnte. Die Anknüpfungstatsachen wurden sorgfältig und frei von erkennbaren Fehlern ermittelt; die daraus gezogenen Schlüsse sind nachvollziehbar und frei von Widersprüchen, und das ermittelte Ergebnis wird überzeugend begründet.
Der Sachverständige hat zunächst die einschlägige Norm ECE-R68 herangezogen und eine deren Vorgaben entsprechende Teststrecke sowie einen Tag, an dem die erforderlichen äußeren Bedingungen herrschten, ausgewählt. Auch die Gewichtsvorgaben wurden eingehalten, und der Sachverständige hat in nicht zu beanstandender Weise die Testfahrten mit Sommerreifen durchgeführt, denn die Beklagte bzw. der Fahrzeughersteller haben diesbezüglich keine anderen Zusicherungen abgegeben (vgl. OLG Düsseldorf, aaO). Soweit die Angaben der Klägerin und des Sachverständigen hinsichtlich der genauen Bezeichnung der Reifen voneinander abwichen, hält das Gericht dies für unerheblich. Übereinstimmung bestand jedenfalls hinsichtlich der Reifenbreite (235), die für den Rollwiderstand maßgeblich ist. Außerdem hat die Klägerin die in der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 06.12.2016 enthaltene Angabe nicht mehr bestritten.
Auch sonst erhebt die Klägerin gegen das Gutachtenergebnis keine erheblichen Einwendungen. Dass der Text der einschlägigen Norm nicht beigefügt war, ist unschädlich, denn deren für die Beurteilung des vorliegenden Falles maßgebliche Vorgaben werden zitiert. Der Klägerin stand es frei, sich den Normtext zu beschaffen und darzulegen, warum der Sachverständige von falschen Annahmen ausgegangen sein soll. Insbesondere war der Geschwindigkeitstest unter realen Bedingungen und nicht auf einem Prüfstand durchzuführen. Dass die von dem Sachverständigen ausgewählte Strecke den Anforderungen genügte, ergibt sich in nachvollziehbarer Weise aus dem Gutachten. Eine Untersuchung auf einem speziellen Hochgeschwindigkeitskurs in Süditalien hätte keine weitergehenden Erkenntnisse gebracht, denn bereits unter normalen Bedingungen auf einer deutschen Autobahn konnten Geschwindigkeiten erzielt werden, die den Angaben in den Fahrzeugpapieren so nahe kamen, dass ein Sachmangel ausgeschlossen werden konnte. Die Voraussetzungen für die Einholung eines Obergutachtens (§ 412 Abs. 2 ZPO) waren damit ersichtlich nicht erfüllt.
Bestand der eingeklagte Anspruch bereits dem Grunde nach nicht, kam es auf dessen Höhe nicht mehr an.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
Streitwert: 58.649,10 EUR