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Rücktritt Hyprid-Fahrzeugkaufvertrag – Berechnung Nutzungsentschädigung

OLG Nürnberg – Az.: 4 U 2130/21 -Beschluss vom 19.10.2021

Gründe

I.

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14.05.2021, Az. 16 O 3591/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

II.

Der Kläger hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Der Senat hat die gegen das angefochtene Urteil erhobenen Einwände geprüft und gewürdigt. Die mit der Berufung vorgetragenen Gesichtspunkte können ihr jedoch nicht zum Erfolg verhelfen.

1. Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist das Landgericht von folgender Berechnungsformel ausgegangen:

Nutzungsvorteil = Kaufpreis zzgl. frustrierte Aufwendungen x gefahrene Strecke: Gesamtlaufleistung

Diese Berechnungsmethode ist berufungsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Berufung nicht angegriffen. Ebenso wenig ist der Umstand zu beanstanden, dass das Landgericht dabei die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf 212.500 km geschätzt hat. Denn bei der Schadensschätzung steht ihm gemäß § 287 ZPO ein Ermessen zu, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (BGH, Urteil vom 17. September 2019 – VI ZR 396/18, NJW 2020, 236 Rn. 13; BGH, Urteil vom 23. März 2021 – VI ZR 3/20 -, Rn. 11, juris). Insbesondere ist die auf einer Prognose beruhende Schätzung der Gesamtfahrleistung durch das Landgericht, die deutlich von der Schätzung des Klägers abweicht, entgegen der Ansicht der Berufung nicht unzulässig, weil sie mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Mai 1984 – III ZR 18/83, BGHZ 91, 243, Rn. 55, juris; BGH, Urteil vom 23. März 2021 – VI ZR 3/20 -, Rn. 10 – 11, juris).

Der Senat vermag sich der Auffassung des Klägers, wonach bei einem Plug-in Hybrid-Fahrzeug für den Elektroanteil des Fahrzeugs regelmäßig eine Gesamtlaufleistung von 500.000 km erreicht wird und diese hälftig in die Gesamtfahrleistung einzubeziehen ist, nicht anzuschließen. Ein Plug-in Hybrid ist nicht darauf ausgelegt, auf längeren Strecken elektrisch gefahren zu werden. Wie sich aus Seite 15 des Verkaufsprospekts mit Stand März 2017 (Anlage K 16) ergibt, verbindet der neue MINI Countryman Plug-in-Hybrid „die Vorteile von Benzin- und Elektromotor. Seine Lithium-Ionen-Hochvoltbatterie lässt Sie bis zu 42 km rein elektrisch und lokal emissionsfrei fahren. Mit der Boost-Funktion unterstützt der elektrische Antrieb den Benzinmotor und macht auch elektrischen Allradantrieb möglich.“ Wie der Kläger selbst betont, hat er den streitgegenständlichen PKW im Grunde ausschließlich zur Nutzung für die Fahrstrecke von sich zu Hause zu seiner Arbeitsstätte in Nürnberg benötigt, mithin für eine Fahrstrecke von 15 km. Dies entspricht auch dem Kundenprofil für einen Plug-in Hybrid: Auf kürzeren Strecken und bei Verkehrseinschränkungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren kann das Auto mit dem elektrischen Antrieb leise, lokal emissionsfrei und effizient mit Strom aus dem Akku fahren, während durch den zweiten Antrieb (z. B. den Verbrennungsmotor) das Auto auch dann noch fahren kann, wenn der Akku leer ist, womit eine hohe Reichweite und schnelles Nachtanken möglich wird (Quelle: Wikipedia). Da sich die Gesamtfahrleistung nur auf ein Fahrzeug bezieht, ist ein hälftiges Zusammenrechen der beiden Motorfahrleistungen nicht überzeugend, denn es darf nicht übersehen werden, dass nicht zwei Fahrzeuge (Benziner und Elektrofahrzeug) jeweils hälftig zur Verfügung steht, sondern es gibt nur ein Fahrzeug, dessen Antrieb sich aus zwei Antriebskomponenten zusammensetzt. Außerdem kommt es für die Gesamtlaufleistung nicht nur auf die reine Motorleistung an, sondern auf die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs selbst, das z. B. auch dann seine Laufleistung erreicht haben kann, wenn der Motor als solches noch intakt ist.

Im Ergebnis beanstandet der Senat allerdings die Schätzung (§ 287 ZPO) der Nutzungsvorteile durch das Landgericht (6.468,23 €) nicht.

In der Rechtsprechung und der Literatur finden sich bislang keine Schätzwerte für das streitgegenständliche Plug-in Hybrid-Fahrzeug oder ähnliche Hybridfahrzeuge (so auch Eggert, VA 2020, 176 − Übersicht 2, Ziffer 2: „Für reine E-Autos wie auch für Hybrid-Fahrzeuge liegt noch keine Rechtsprechung vor.“). Es ist daher schon nicht richtig, wenn der Kläger unter Bezugnahme auf diese Fundstelle allgemein behauptet, dass bei E-Autos die Laufleistungen weit über den eines Verbrennungsmotorfahrzeugs liegen würden. Der Senat möchte sich auch nicht auf den bei Eggert zitierten Artikel aus dem Kölner Stadtanzeiger (Ausgabe 5./6.9.20) stützen, wonach ein TÜV-Mitarbeiter mit Blick auf E-Autos mit den Worten zitiert wird: „Eine Million Kilometer oder mehr sind kein Problem“. Davon abgesehen, dass sich das Zitat nur auf Elektroautos und nicht auf Plug-in-Hybride bezieht, ist eine verantwortliche Quelle nicht genannt und die Aussage daher auch nicht verlässlich.

Schätzungsgrundlage sind für den Senat die vom Kraftfahrtbundesamt veröffentlichten statistischen Daten (so auch OLG Köln, Urteil vom 24. März 2020 – I-4 U 235/19 -, Rn. 128, juris). Danach hatten die Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2021 ein durchschnittliches Alter von 9,8 Jahren, woraus sich schon ergibt, dass ein erheblicher Teil der Fahrzeuge deutlich älter ist. Bereits ab einem Fahrzeugalter von 10 bis 14 Jahren nimmt die Zahl der Kraftfahrzeuge deutlich ab (https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/Fahrzeugalter/fahrzeugalter_node.html). Nach den vom Kraftfahrtbundesamt veröffentlichten Daten ist die durchschnittliche Jahresfahrleistung für Personenkraftwagen mit Dieselmotor weiter auf 19.353 km gesunken. Ein Pkw mit sonstigem Antrieb lag in 2020 bei durchschnittlich 14.951 km pro Jahr. Für Pkw mit Benzin-Motor gingen die Kilometer pro Jahr auf 10.395 km zurück (https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftverkehr/VerkehrKilometer/verkehr_in_kilometern_node.html). Das Kraftfahrt-Bundesamt weist zur Interpretation der Daten zum Pandemie-Jahr 2020 darauf hin, dass zentraler Bestandteil der Schätzung der Jahresfahrleistung die mittlere monatliche Fahrleistung eines Fahrzeuges ist, wobei der gesamte Zeitraum seit Erstzulassung einfließt. Ereignisse am aktuellen Rand – wie zum Beispiel die Corona-Pandemie und die Auswirkungen der damit einhergehenden politischen Entscheidungen mit Einfluss auf die Mobilität im Allgemeinen und die Inländerfahrleistung im Speziellen – finden daher nicht unmittelbar Ausdruck in den geschätzten Zahlen.

Rücktritt Hyprid-Fahrzeugkaufvertrag – Berechnung Nutzungsentschädigung
(Symbolfoto: Ancapital/Shutterstock.com)

Es ist nicht ersichtlich oder sonst zu erwarten, dass privat genutzte Hybrid-Fahrzeuge deutlich länger genutzt werden als die vom Kraftfahrtbundesamt genannten 14 Jahre, denn ab diesem Zeitpunkt nimmt der Fahrzeugbestand insgesamt deutlich ab. Wie bereits ausgeführt, werden Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge von Personen gefahren, die überwiegend Kurzstrecken zu bewältigen haben, gleichzeitig aber z. B. für größere Ausflüge oder Urlaubsfahrten ein reichweitenstarkes Fahrzeug haben möchten.

Der Senat geht daher von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von 14 Jahren aus. Während die durchschnittliche Jahresfahrleistung bei Fahrzeugen mit sonstigem Antrieb bei ca. 15.000 km liegt, geht der Senat davon aus, dass diese bei einem Plug-in-Hybrid-Fahrzeug eher darunter liegt, denn Plug-in-Hybride werden überwiegend für Kurzstrecken eingesetzt. Doch selbst wenn man für ein Plug-in-Hybrid-Fahrzeug eine durchschnittliche Jahresfahrleistung von 15.000 km – die eher zu hoch gegriffen erscheint, denn auch der Kläger fährt deutlich weniger – annimmt, ergäbe sich bei dieser Berechnung eine Gesamtlaufleistung von 210.000 km (14 Jahre x 15.000 km).

Damit wäre unter Berücksichtigung des Kaufpreises und der frustrierten Aufwendungen sowie der nunmehrigen Laufleistung (37.674 km) folgende Berechnung der Nutzungsentschädigung angezeigt:

((34.999,99 € Kaufpreis + 2.866,01 €) x 37.674 km)/210.000 km = 7.925,35 €

Doch auch wenn man von einer Gesamtfahrleistung von 220.000 km ausginge, käme man nach der obigen Formel auf eine Nutzungsentschädigung von 6.484,46 €.

Da § 287 BGB eine Schätzung ermöglicht, ist eine mathematische Genauigkeit weder zu erwarten noch zu fordern. Damit ist die Schätzung des Landgerichts im Ergebnis auch berufungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Es folgen Ausführungen zum Annahmeverzug und zur Ersatzfähigkeit von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

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