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Rücktritt vom Gebrauchtwagenkaufvertrag – schlechtes Kaltstartverhalten

LG Hamburg, Az.: 319 O 75/09, Urteil vom 16.02.2010

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 23.563,73 (in Worten: dreiundzwanzigtausendfünfhundertdreiundsechzig 73/100 Euro) zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.1.2009 Zug um Zug gegen Rückgabe des Mercedes E 200 mit dem derzeit amtlichen Kennzeichen …-… … zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 15 %, die Beklagte zu 85 %.

Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Für den Beklagten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Rücktritt vom Gebrauchtwagenkaufvertrag – schlechtes Kaltstartverhalten
Foto: : Alfa Studio/Bigstock

Der Kläger begehrt die Rückabwicklung eines Kaufvertrags. Der Kläger kaufte am 20.8.2007 für 25.000,00 EUR von der Beklagten, die Fahrzeuge herstellt und mit Gebrauchtfahrzeugen handelt, einen 2004 gebauten, gebrauchten Mercedes E 200 Kompressor mit Gasanlage, amtl. Kennzeichen …-… …. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug zum Zeitpunkt der Übergabe 64.900 km.

ln der Folgezeit brachte der Kläger das gekaufte Fahrzeug mehrfach in die Werkstatt der Beklagten. So stellte der Kläger den PKW am 1.10.2007, 5.11.2007, 5.2.2008, 14.3.2008 sowie am 25.8.2008 bei der Beklagten vor. Der Kläger rügte bei diesen Terminen ein verzögertes Anspringen des Motors und ein Auftreten von Hochfrequenztönen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Kläger bei dem Termin am 5.2.2008 Hochfrequenztöne gegenüber der Beklagten gerügt hat.

Der Kläger forderte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2008 (BI. 82 d.A.) unter Fristsetzung bis zum 4.1.2009 zur Rückabwicklung des Kaufvertrags auf.

Der Kläger nutzt das streitbefangene Fahrzeug nicht mehr, der jetzige Kilometerstand beträgt ca. 91.000 km.

Nachdem die Beklagte die Rückabwicklung des Vertrages gegenüber dem außergerichtlich bevollmächtigten jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers abgelehnt hatte, schrieb dieser die Beklagte mit Schreiben vom 22.12.2008 sowie die Rechtsschutzversicherung des Klägers an. Hierdurch entstanden Honoraransprüche; wegen deren Höhe wird verwiesen auf die Klagschrift vom 1.4.2009, S. IV (BI. 3 d.A.).

Der Kläger behauptet, das Fahrzeug benötige im Kaltstart länger als 5 Sekunden zum Anspringen, was nicht dem Stand der Technik entspreche. Zudem seien Hochfrequenztöne festzustellen, die durch einen Austausch von Fahrzeugteilen, nicht behoben worden seien. Darüber hinaus verbrauche das Fahrzeug im Gasbetrieb 2-3 l/100 km, obwohl dies von Seiten der Beklagten anders zugesagt gewesen sei.

Der Kläger hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 26.631,73 nebst 5 % Zinspunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 23.563,73 Zug um Zug gegen Rückgabe des Mercedes E 200 mit dem derzeit amtlichen Kennzeichen …-… … zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.1.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Mängel seien keine Fahrzeugteile ausgetauscht worden. Es sei lediglich eine Einspritzdüse ausgetauscht worden. Außerdem sei die Startzeit bei dem streitigen Fahrzeug bei einem Kaltstart sei konstruktions- und systembedingt.

Die Beklagte meint, dass bei Vorliegen eines von ihr bestrittenen Sachmangels ihr die Möglichkeit der Nachbesserung zugestanden werden müsse, da bislang keine Nachbesserungsversuche stattgefunden hätten, da die vom Kläger behaupteten Mängel bei den Überprüfungen durch die Beklagte nicht hätten nachvollzogen werden können.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Behauptungen des Klägers, das Fahrzeug benötige mehr als 5 Sekunden, bis es aus dem Kaltstart anspringe, es verbrauche auch im Gasbetrieb 2-3 Liter Benzin auf 100 Kilometer und es träten Hochfrequenztöne auf, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen M. E.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 5.11 .2009 sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 13.1.2010 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gemäß § 346 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Rückgewähr des an die Beklagte geleisteten Kaufpreises und Herausgabe des Wertes des in Zahlung gegebenen Gebrauchtwagens. Die Beklagte hat demgegenüber einen Anspruch auf Herausgabe des Kaufgegenstandes und Zahlung einer Nutzungsentschädigung, §§ 346 Abs. 1, 347 Abs. 2, 348 BGB.

Die Anspruchsvoraussetzungen liegen vor.

Der Kläger hat die nach § 349 BGB erforderliche Rücktrittserklärung im Schreiben vom 22.12.2008 abgegeben (BI. 82 d.A.).

Das Fahrzeug weist zudem einen erheblichen Sachmangel auf, §§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, da es länger als 5 Sekunden dauert, bis das Fahrzeug im Kaltstart anspringt.

Mangels einer Beschaffenheitsvereinbarung und einer vertraglich vorausgesetzten Verwendung ist hinsichtlich der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs auf dessen Eignung zur gewöhnlichen Verwendung und eine bei Sachen der gleichen Art übliche und vom Käufer zu erwartende Beschaffenheit abzustellen. Dabei ist hinsichtlich der berechtigten Erwartungen des Käufers auf den Durchschnittsverkäufer abzustellen, nicht auf im Einzelfall überzogene Ansprüche des jeweiligen Käufers (OLG Schleswig, Urteil vom 25.7.2008-14 U 125/07 zitiert nach juris).

Nach der Beweisaufnahme durch Einholung des Gutachtens und der ergänzenden Vernehmung des Sachverständigen E. steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass das Fahrzeug durchschnittlich 7-9 Sekunden braucht, um im Kaltstart anzuspringen. Dieser Umstand stellt eine Beschaffenheit dar, die bei Sachen der gleichen Art nicht üblich ist, da von einem Fahrzeug der oberen Mittelklasse erwartet werden kann, dass es sofort anspringt, auch im Kaltstart. Dass es sich in diesem Fall um ein mit Gas betriebenes Fahrzeug handelt, ändert an diesem Umstand nichts. Der Sachverständige E. hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass er zwar bislang keine Mercedesfahrzeuge mit Gasbetrieb untersucht habe, er aber andere Fahrzeugfabrikate der Marken Fiat, Opel oder auch VW untersucht habe. Diese hätten die bei dem streitbefangenen Fahrzeug des Klägers gezeigten Startverzögerungen nicht gezeigt. Ein verzögerter Startvorgang könne seiner Ansicht nach jedenfalls nicht auf den Umstand, dass es sich um ein Gasfahrzeug handele, zurückgeführt werden, da auch erdgasbetriebene Fahrzeuge zum Schutze des Katalysators immer Benzin starten. Ein verzögerter Startvorgang von durchschnittlich 7-9 Sekunden im Kaltstart stellt nicht nur eine erhebliche Komforteinbuße, sondern auch einen sicherheitsrelevanten Mangel dar. Zwar hat der Sachverständige E. angegeben, dass sobald das streitbefangene Fahrzeug 200 bis 300 Meter gefahren sei und es die Betriebstemperatur erreicht habe, ein erneuter Start sofort erfolgte. Dennoch kann gerade bei einem noch jungen Gebrauchtfahrzeug (Baujahr 2004) erwartet werden, dass es sofort anspringt. Ein verzögerter Startvorgang stellt auch keine Verschleißerscheinung dar, mit der ein Käufer eines Gebrauchtfahrzeuges sich angesichts des Alters und der relativ geringen Laufleistung abfinden müsste. Ein Fahrzeug, bei dem die fehlende Zuverlässigkeit besteht, dass es auch bei längerem Stillstand erst verzögert anspringt, stellt ein Sicherheitsrisiko dar.

Die Auffassung der Beklagten, wonach sie den verzögerten Startvorgang bei sämtlichen Überprüfungen nicht habe feststellen können und ihr bei Vorliegen eines von ihr bestrittenen Mangels noch die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben werden müsse, vermag nicht zu überzeugen. Zum einen ist zu berücksichtigen, dass der verzögerte Startvorgang bei dem Fahrzeug nur im Kaltstart zu beobachten ist, so dass die Beklagte als fachkundige Verkäuferin hätte erkennen müssen, dass die Verzögerung möglicherweise nur im Kaltstart auftritt. Zum anderen trifft den Kläger als Käufer lediglich eine Andienungspflicht, so dass es von seiner Seite als ausreichend anzusehen ist, wenn er der Beklagten als Verkäuferin von den beobachteten Mängeln berichtet und ihr die Gelegenheit einräumt, die Ursache des Mangels nachzuvollziehen und zu beheben.

Ob weitere Mängel existieren und ob diese erheblich sind, mag dahinstehen.

Eine Fristsetzung durch den Kläger ist erfolgt. Der Kläger hat das Fahrzeug der Beklagten mehrfach zur Nachbesserung überlassen, um die von ihm gerügten Mängel zu beseitigen. Selbst wenn der Kläger nicht ausdrücklich eine Frist gesetzt haben sollte, ist zumindest von einer konkludent erfolgten Fristsetzung auszugehen, da der Kläger der Beklagten das Fahrzeug mehrmals zur Überprüfung überlassen hat. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Kläger nicht zuzumuten, weitere Nachbesserungsversuche bei der Beklagten hinzunehmen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gemäß § 440 S. 1 BGB eine Fristsetzung nach dem zweiten fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch ohnehin entbehrlich gewesen wäre.

Es ist auch zu vermuten, dass der Mangel bei Gefahrübergang vorlag. Das am 20.8.2007 gekaufte Fahrzeug stellte der Kläger bereits am 1.10.2007 und 5.11.2007 und somit zweimal innerhalb der 6-Monats-Frist des § 476 BGB vor.

Den gegen sie bestehenden Anspruch muss die Klägerin gem. §§ 348 S. 1, 320 Abs. 1 S. 1 BGB nur Zug um Zug gegen Herausgabe der Gebrauchsvorteile erfüllen. Gebrauchsvorteile sind dem Kläger durch die Nutzung des Fahrzeugs entstanden, vgl. § 346 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB. Den Anspruch der Beklagten schätzt das Gericht auf EUR 3.068,00.

Das Gericht stützt seine Auffassung auf die obergerichtliche Rechtsprechung, wonach der Wert der Nutzung eines Fahrzeugs anhand des Neuwertes des Fahrzeugs und der zu erwartenden Gesamtlaufleistung als lineare Wertminderung nach folgender Formel zu errechnen ist:

Gebrauchsvorteil = Bruttokaufpreis x zurückgelegte Fahrstrecke

____________________________________________________

voraussichtliche Gesamtleistung

Der Kläger hat mit seinem Fahrzeug ca. 27.000 km zurückgelegt. Das Gericht hat eine voraussichtliche Gesamtleistung von 220.000 km zugrunde gelegt, da bei Fahrzeugen der gehobenen Klasse – wie dem streitbefangenen – von einer Laufleistung von 200.000 bis 250.000 km auszugehen ist (OLG Koblenz, Urteil vom 16.04.2009 – 6 U 574/08; OLG Karlsruhe NJW 2003,1950; MüKo-Gaier, § 346 Rn. 27,5. Auflage 2007). Bei einem Kaufpreis von EUR 25.000,00 ergibt sich ein Gebrauchsvorteil in Höhe von EUR 3.068,00.

Die vom Kläger geltend gemachte Nebenforderung in Höhe von EUR 1.631,73 steht dem Kläger gemäß §§ 280 Abs. 1 und 3, 286 Abs. 1 BGB zu. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat, nachdem die Beklagte die Rückabwicklung endgültig abgelehnt hat, sich an diese (Gegenstandswert EUR 25.000,00) und an die Rechtsschutzversicherung des Klägers Prozessrisiko/Gegenstandswert EUR 5.500,00) gewandt.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 290 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO und § 708 Nr. 11 ZPO.

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