LG Kiel – Az.: 1 S 93/18 – Urteil vom 02.06.2020
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 09.03.2018, Az. 108 C 8/17, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 3.223,70 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg. Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von Mängelbeseitigungskosten im Zusammenhang mit einem Gebrauchtwagenkauf nicht zu. Voraussetzung für den sich allein aus §§ 433, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB rechtfertigenden Schadensersatzanspruch ist das Vorliegen eines Sachmangels. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass der gekaufte Gebrauchtwagen in Bezug auf die Xenon-Scheinwerfer sachmängelbehaftet war. Mangels besonderer vertraglicher Vereinbarungen richtet sich die Frage der Mangelfreiheit nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Danach ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich bei Gefahrübergang für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Dies zugrunde gelegt, hat der Kläger das Vorliegen eines Mangels nicht bewiesen. Dabei kommt ihm, weil es sich bei dem Kaufvertrag um einen sogenannten Verbrauchsgüterkauf im Sinne von § 474 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. handelt, die Vermutungsregelung des § 474 BGB a.F. zugute. Danach wird bei einem Verbrauchsgüterkauf dann, wenn sich innerhalb von 6 Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt, vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelbehaftet war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.
Diese Regelung setzt allerdings einen binnen 6 Monaten nach Gefahrübergang aufgetretenen Sachmängel voraus. Der Käufer hat danach darzulegen und im Bestreitensfalle nachzuweisen, dass der sichtbar gewordene Mangel auf einer binnen 6 Monaten ab Gefahrübergang aufgetretenen Ursache beruht, die ihrerseits eine (weitere) vertragswidrige Beschaffenheit darstellt (vgl. BGH NJW 2017, 1093 ff., 1095 Rn. 26, m.w.N.). Wird ein vertragswidriger Zustand binnen 6 Monaten nach Gefahrübergang offenbar, wird vermutet, dass die Vertragswidrigkeit schon zur Zeit der Lieferung bestand (vgl. BGH aaO. Rn. 33 m.w.N.). Der Zustand, wie der Sachverständige ihn in Bezug auf die Xenon-Scheinwerfer ca. 3 Jahren nach Gefahrübergang festgestellt hat, mag als technischer Mangel zu beschreiben sein. Nach der Zusammenfassung des eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachtens G. vom 15. 9. 2017 sind die in beiden Scheinwerfern eingebauten Projektionslinsen aufgrund einer starken gelblich-braunen Eintrübung (durch einen von innen anhaftenden Belag) als mangelhaft anzusehen. Aufgrund der sich daraus ergebenden beeinträchtigten Verkehrssicherheit wäre dieser Umstand bei einer Hauptuntersuchung als „erheblicher Mangel“ einzustufen, so der Sachverständige in seiner Zusammenfassung weiter. Diese Zustandsbeschreibung stellt indes keinen „vertragswidrigen Zustand“ und damit keinen Mangel im Sinne der oben genannten Vorschrift dar. Die insoweit zu beurteilende Frage ist rechtlicher Natur und nicht eine Frage der Beweiswürdigung des Sachverständigengutachtens, sodass das Berufungsgericht nicht gehindert ist, die Frage anders als das Amtsgericht zu beurteilen. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass in Bezug auf die Scheinwerfer innerhalb der ersten 6 Monate ab Übergabe eine vertragswidrige Beschaffenheit aufgetreten ist. Die Kammer geht nach dem Inhalt des Sachverständigengutachtens G. davon aus, dass der Zustand der Xenon-Scheinwerfer auf einer besonderen Art des Verschleißes beruht. Von einem Qualitätsmangel des Produkts, von Konstruktions- oder von Montagefehlern war im Gutachten nicht die Rede. Der Sachverständige hat die eingeschränkte Beleuchtungsstärke vielmehr darauf zurückgeführt, dass die Xenonbrenner ihre maximale Lebensdauer erreicht haben und deshalb auszutauschen waren, und dass die Projektionslinsen der eingebauten Scheinwerfer stark eingetrübt waren (S. 18 d. GA`s). Das Erreichen der maximalen Lebensdauer des Brenners durch den Betrieb des Fahrzeugs weist auf einen alters- und damit verschleißbedingten Mangel hin. Auch die Linsentrübung ist als solcher technischer Defekt zu werten, da der Sachverständige das Vorhandensein einer Trübung als von der Betriebsdauer des Scheinwerfers abhängig darstellte, d. h. davon, wie oft das Fahrzeug mit eingeschaltetem Licht gefahren wurde. Ob normaler Verschleiß vorliegt oder ein Sachmangel im Sinne des Gesetzes, beurteilt sich nach der oben genannten Vorschrift danach, ob die Kaufsache eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist. Diese Frage hat der Sachverständige nicht zugunsten des Klägers beantwortet. Zu der Frage, ob der Zustand der Scheinwerfer einem für das Fahrzeugalter und die Laufleistung normalen Zustand entspricht, hat der Sachverständige erklärt, dass sachverständigerseits keine klare Aussage getroffen werden kann, weil die Linsentrübung trotz gleichen Fahrzeugalters extrem unterschiedlich ausfalle, je nach dem, ob das Fahrzeug durch einen Rentner (seltene oder keine Fahrten bei Dunkelheit) oder durch einen Berufspendler betrieben wurde (Betrieb fast ausschließlich mit eingeschaltetem Licht morgens und abends). Das Fahrzeug eignete sich für die gewöhnliche Verwendung und wies eine Beschaffenheit auf, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Der Käufer eines gebrauchten, insbesondere älteren Pkw mit entsprechender Laufleistung, wie dem bei Verkauf annähernd acht Jahre alten Peugeot hier, muss die typischen Verschleißerscheinungen eines Fahrzeugs dieses Alters und dieser Laufleistung in Rechnung stellen und mit schon vorhandenen, jedoch noch nicht offenbar gewordenen Verschleißerscheinungen rechnen, die im weiteren Verlauf zur Funktionsunfähigkeit führen können, wenn das Verschleißteil nicht erneuert wird (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 01.10.2008 – 18 U 1/08, BeckRS 2009, 86560). Auch wenn es sich bei Xenon-Scheinwerfern nicht um Fahrzeugteile handelt, die sich als austauschbedürftige Verschleißteile im direkten Blickfeld befinden, wie die üblicherweise bekannten Verschleißteile, Kupplung und Bremsbeläge, muss sich der Käufer eines mit Xenonlicht ausgestatteten Pkw darauf verweisen lassen, dass er nach bestimmter Laufleistung des Fahrzeugs mit der Erneuerungsbedürftigkeit der Scheinwerfer rechnen muss. Denn es ist auf einen verobjektivierten Empfängerhorizont abzustellen. Ist nach alledem vom Vorliegen eines Mangels nicht auszugehen, steht dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu. Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.