OLG Frankfurt – Az.: 16 U 112/18
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.5.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Gießen, 5. Zivilkammer, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.324,51 Euro sowie 603,11 Euro außergerichtliche Anwaltskosten jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.12.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Beklagte 66 % und hat der Kläger 34 % zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Beweiserhebung in zweiter Instanz, die die Beklagte allein zu tragen hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt mit der am 15.1.2019 eingereichten Klage Schadensersatz in Höhe von 9.552,10 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 913,80 €, weil der bei der Beklagten am 28.6.2016 gekaufte und am 15.7.2016 übergebene PKW Marke1, der im Jahre 2011 erstmals zugelassen worden war und beim Kauf eine Fahrleistung von 82.105 km aufwies, mangelhaft gewesen sei. Das Fahrzeug hat etwa ein Jahr nach Übergabe bei einem km-Stand von 91.385 einen Getriebeschaden erlitten. Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob dieser Mangel – die Ursache für den Getriebeschaden – schon bei Übergabe des Fahrzeuges vorgelegen hat.
Die Beklagte hat ferner die Verjährungseinrede erhoben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Wegen des Inhalts des im Tatbestand des Urteils erwähnten, vom Kläger vorgerichtlich eingeholten Gutachtens der DEKRA (Sachverständiger A) wird auf Bl. 29 – 87 der Akte verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage wegen begründeter Einrede der Verjährung abgewiesen, weil innerhalb der vertraglich wirksam auf ein Jahr verkürzten Gewährleistungsfrist die Klage nicht erhoben worden und die Frist auch nicht zuvor durch Verhandlungen gehemmt gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klage in vollem Umfang weiterverfolgt.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte hat im Berufungsverfahren vorgetragen, dass sämtliche vorgeschriebenen Wartungsarbeiten an dem Fahrzeug von ihr durchgeführt worden seien, bei – wie vorgeschrieben – 60.000 km das Automatikgetriebeöl gewechselt und keine Arbeiten am Getriebe durchgeführt worden seien. Als Beleg hat sie Duplikate der Rechnungen über die Arbeiten aus den Jahren 2012 bis 2016 vorgelegt (Bl. 227 – 239 d.A.).
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen A, der bereits im Auftrag des Klägers vorgerichtlich das Fahrzeug besichtigt und das ausgebaute Getriebe näher untersucht hat. Wegen der Ausführungen des Sachverständigen wird auf das Protokoll der Verhandlung vom 18.5.2019 (Bl. 259 ff. d.A.) verwiesen.
Die Parteien haben zu der Beweisaufnahme Stellung genommen. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 19.6.2019 (Bl. 282 f. d.A.) und des Klägers vom 26.6.2019 (Bl. 288 f. d.A.) wird verwiesen.
Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird nach § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache teilweise Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte aufgrund Gewährleistung für den Getriebeschaden an dem bei ihr erworbenen PKW Marke1 aus den §§ 281 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ein Schadensersatzanspruch in Höhe in Höhe von 6.324,51 € zu.
1.
Die Einrede der Verjährung ist nicht begründet. Zwar hat das Landgericht zutreffend angenommen, dass innerhalb der vertraglich auf ein Jahr verkürzten Verjährungsfrist (Ziff. VI Abs. 1 AGB der Klägerin) keine Klage erhoben worden und die Frist auch nicht gehemmt worden ist. Die Einrede der Verjährung greift jedoch deshalb nicht durch, weil die Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr unwirksam ist und deshalb die gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren gilt, die bei Klageerhebung nicht abgelaufen war. Denn insoweit hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 13.07.2017 (C-133/16) entschieden, dass die nach deutschem Recht zulässige Verkürzung der Verjährungsfrist beim Verbrauchsgüterkauf über gebrauchte Sachen auf ein Jahr der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie widerspricht. Sie verstößt gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 und Art. 7 Abs. 1, Unterabs. 2 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie. Denn Art. 7 Abs. 1, Unterabs. 2 der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie lasse nur eine Verkürzung der sogenannten Haftungszeit, der Frist zwischen Lieferung auf Auftreten des Mangels (Offenbarwerden), zu, nicht auch eine Verkürzung der Verjährungsfrist. Für den gegenwärtig noch geltenden § 476 Abs. 2 BGB (n.F.) ergibt sich daraus die Konsequenz, dass die Vorschrift im Wege richtlinienkonformer Rechtsfortbildung nicht anzuwenden ist, weil der deutsche Gesetzgeber mit der Regelung an sich die Vorgaben der Richtlinie nur umsetzen wollte (Palandt/Weidenkaff, 78. Aufl., § 476 Rz. 13 mw.N.; Leenen JZ 2018, 284, 289).
2.
Das bei der Beklagten erworbene Fahrzeug hatte bei bereits bei Gefahrübergang einen Mangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB, weil die Ursache für den am 7.7.2017 aufgetretenen Getriebeschaden schon bei Übergabe am 15.7.2016 vorhanden war. Davon ist das Gericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des beiderseitigen Parteivortrages und der vorgelegten Belege überzeugt.
a) Aufgrund des erhobenen Sachverständigenbeweises ist das Gericht überzeugt, dass zwei Umstände als Ursache für den Getriebeschaden in Betracht kommen: Ein nicht sachgerechtes Vorgehen bei Arbeiten am Getriebe oder ein Verschleißschaden an der Doppelkupplung.
Der Sachverständige, der trotz des Umstandes, dass er bereits vorgerichtlich im Auftrag des Klägers ein Gutachten erstellt hat, einen vollkommen objektiven Eindruck vermittelt hat, hat zunächst bestätigt, dass der abgefallene Sicherungsring an der Welle, an welcher das eine Zahnrad befestigt war, die „primäre“ Ursache für den eingetretenen Getriebeschaden war. Der Abfall des Sicherungsringes hat nämlich bewirkt, dass die Welle, auf der die Zahnräder saßen, in Richtung auf die Ölpumpe hin verschoben wurde und es dort zu einem „Gewaltbruch“ der Welle, die die Ölpumpe antreibt (Zahnradpumpe) gekommen ist. Infolge dessen hat sich der Kanal, über den die Ölversorgung erfolgt, festgesetzt. Die nicht ausreichende Ölversorgung und der niedrige Öldruck führte dann zum eigentlichen Getriebeschaden (Festsitzen der Schaltschieber, festgestellte Funktionsunfähigkeit der Schaltgabeln, vgl. schriftliches Gutachten S. 16).
Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung unter Anknüpfung an das schriftliche Gutachten deutlich erläutert, dass er zwei Ursachen für das Lösen des Sicherungsrings als möglich erachtet: Er hat zwar ausgeschlossen, dass der Sicherungsring bereits bei Herstellung und Einbau des Getriebes schon lose in diesem lag, jedoch könne sich dieser bei einer Reparatur oder sonstigen Arbeiten am Getriebe gelöst haben oder gelöst worden und danach nicht wieder sachgerecht befestigt worden sein. Die zweite Möglichkeit der Verursachung könne in einem Schaden der (Doppel)Kupplung liegen. Der Sachverständige hat einen vom Getriebeschaden unabhängigen Schaden an der Kupplung festgestellt hat, nämlich einen erheblichen Materialabtrag an der Lamellenverzahnung (Lichtbilder im Gutachten Nr. 32/33). Dadurch hätten die beiden Kupplungsteile beim Einkuppeln nicht mehr nahtlos ineinander gegriffen. Infolgedessen komme es zu Resonanzbewegungen, die das Getriebe ergreifen, und bewirken können, dass sich nach gewisser Zeit der Sicherungsring löst. Der Sachverständige hat zwar noch eine dritte Ursache für das festsitzende Getriebe in Betracht gezogen (weiterlaufendes Zahnrad und dadurch bewirkte Reibungen), dies jedoch letztlich als bloße Folgeerscheinung eingeordnet und den Ölpumpenschaden als die „eigentliche Ursache“ angesehen (Protokoll S. 5).
b) Beide Ursachen für das Lösen des Sicherungsringes haben mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits bei Übergabe am 15.7.2016 im Ansatz vorgelegen.
Hinsichtlich einer möglichen nicht fachgerechten Reparaturmaßnahme am Getriebe kann mit einem praktischen Grad an Gewissheit ausgeschlossen werden, dass eine solche Maßnahme erst nach der Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger am 6.7.2016 vorgenommen worden ist. Der Kläger hat vorgetragen, dass an dem Fahrzeug im Oktober 2016 zwei Reparaturen vorgenommen worden seien. Zum einen sei ein Schaden am Fahrzeugkrümmer behoben worden und bei der zweiten Ende Oktober eine Reparatur eines Schadens, der an der Turboeinheit aufgetreten sei (Klageschrift S. 5). Bei beiden Reparaturen war das Getriebe nicht betroffen. Der Kläger persönlich hat auf Nachfrage im Termin bestätigt, dass es nur diese beiden Reparaturen gegeben habe. Dies ist nach Einschätzung des Gerichts glaubhaft. Zum einen hatte der Kläger dies bereits so vorgerichtlich am 21.7.2017 bei den Verhandlungen mit der Beklagten so angegeben (Anlage B 1), ist bin seinem Vortrag als konsistent. Zum anderen wird die Nachvollziehbarkeit durch die Angabe des Sachverständigen bestätigt, dass Vertragswerkstätten üblicherweise kein Arbeiten am Getriebe ausführen, sondern schadhafte Getriebe in der Regel nur austauschen, weil dafür keine Ersatzteile vom Hersteller zur Verfügung gestellt würden, und allenfalls Spezialwerkstätten Reparaturen am Getriebe ausführen. Dass für den Umstand, dass es nach der Übergabe keine Reparaturen am Getriebe gab, keine schriftlichen Belege gibt, muss mithin letztlich zu Lasten der Beklagten gewürdigt werden. Einen Gegenbeweis hätte die Beklagte durch Vorlage der beim Hersteller geführten Fahrzeughistorie antreten können, welche der Hersteller jedoch weder dem Kläger noch der Beklagten für die Zwecke dieses Prozesses herausgeben wollte.
Den Schaden an der Kupplung hat der Sachverständige als einen sich langsam entwickelnden Schaden beschrieben, den man als „Verschleiß“ bezeichnen könne. Der Sachverständige hat am Ende seiner Anhörung zwar angegeben, dass er nicht zweifelsfrei sagen könne, ob der Verschleißschaden schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen sei. Entscheidend ist hier jedoch nicht der Verschleißschaden selbst (Materialschäden an der Außenverzahnung der Kupplung, die beim Verzahnen zu „Resonanzen“ führen), sondern allein die dafür maßgebliche Ursache. Diesbezüglich hat der Sachverständige die Einschätzung abgegeben, dass die Ursache des Verschleißschadens natürlich schon vorher vorhanden gewesen sein dürfte, denn dieser Schaden arbeite sich im Zug des Gebrauchs des Fahrzeuges weiter fort. Der eigentliche Fehler liege darin, dass sich bei solchen Doppelkupplungen die Verzahnung frühzeitig verschleiße (näher unten c)), und dies ist schon mit der Herstellung im Material oder der Bauweise angelegt.
c) Die genannten Ursachen für den erst nach Übergabe eingetretenen Getriebeschaden stellen einen Sachmangel im Sinne von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar.
Sollte sich der Sicherungsring bei nicht fachgerechten Arbeiten an dem Getriebe gelöst haben oder nicht wieder fachgerecht befestigt worden sein, wies das Fahrzeug eine Beschaffenheit auf, die auch bei gebrauchten Fahrzeugen nicht üblich ist, weil sie mit der Gefahr eines jederzeitigen Schadenseintritts an dem Getriebe verbunden war.
War Ursache der vom Sachverständigen festgestellte Schaden an der Kupplung gilt dasselbe. Zwar hat der Sachverständige diesen als einen sich langsam entwickelnden Schaden beschrieben, den man als „Verschleiß“ beschreiben könne und ein auf „Verschleiß“ beruhende negativer Beschaffenheitszustand muss nicht in jedem Fall einen Mangel darstellen. Dies gilt jedoch nur für „übliche Verschleißerscheinungen“. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bei einem Gebrauchtwagen, sofern keine besonderen Umstände gegeben sind, jedenfalls der normale alters- und gebrauchsbedingte Verschleiß üblich und hinzunehmen, wobei die übliche Beschaffenheit stets von den Umständen des Einzelfalls abhängt (BGH NJW 2008, 53Rn. 19 und BGH NJW 2006, 434 m.w.N.). Es werden daher beim Gebrauchtwagenkauf der Ausfall von Verschleißteilen und eine größere Reparaturanfälligkeit hingenommen, wenn sie in einem normalen Verhältnis zur zurückliegenden Laufleistung stehen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.04.2003 – 1 U 209/02, veröffentl. in juris, Rz. 15 f.; MünchKommBGB/Westermann, 7. Auflage, § 434 Rn. 65 m.w.N.). Ein Sachmangel liegt aber insbesondere dann vor, wenn das Fahrzeug insgesamt oder bauteilbezogen einen übermäßigen Verschleiß aufweist, der mit der konkreten Fahrzeugtechnik in Zusammenhang steht (vgl. OLG Naumburg, NJW-RR 2011, 64; OLG Frankfurt NJW-RR 2005, 920; OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2007 – 2 U 220/06, veröffentl. in juris Rn. 23; OLG Brandenburg MDR 2019, 665).
Ein solcher frühzeitiger Verschleiß ist hier gegeben, weil das Getriebe nur eine Lebensdauer von 91.000 km erreicht hat, die die – nach den Ausführungen des Sachverständigen – übliche Lebensdauer von mindestens 200.000 km weit unterschreitet. Der Sachverständige hat darin letztlich einen Mangel gesehen, weil er dies als „ein Problem“ solcher Doppelkupplungen angesehen und die Einschätzung abgegeben hat, dass Getriebe üblicherweise eine Lebensdauer haben sollten, die der Grenzlebensdauer der Fahrzeuge entspricht. Dem steht nicht entgegen, dass er zugleich ausgeführt hat, diese Doppelgetriebe erreichten „häufig“ nur eine Lebensdauer von ca. 80.000 km und dies sei „bei vielen Herstellern von Doppelkupplungen ein Problem“. Daraus ergibt sich zunächst, dass nicht alle Doppelkupplungen dieses „Problem“ haben, sondern nur bei manchem Hersteller. Vergleichsmaßstab bei der Beurteilung der üblichen Beschaffenheit sind jedoch Sachen gleicher Art und gleichen Qualitätsstandards und auch solche anderer Hersteller (Palandt/Weidenkaff, BGB, 78. Aufl., § 434 Rz. 29 m.w.N.). Folglich ist eine negative Beschaffenheit nicht schon dann als üblich anzusehen, wenn sie bei mehreren Herstellern häufig auftritt.
3.
Die Beklagte hat unstreitig die Nachbesserung des Fahrzeuges spätestens am 21.7.2017 (endgültig) verweigert (vgl. Anlage B 3). Einer Aufforderung zur Nacherfüllung bedurfte es danach nicht mehr. Auf die streitige Frage, ob dies schon am 7.7.2017 sowie am 8.7.2017 bei einem Telefonat mit dem Mitarbeiter B der Beklagten erfolgt ist, kommt es nicht an.
4.
Der Höhe nach ist der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzbetrag von 9.552,10 € nicht in vollem Umfang begründet. Einige Schäden sind deshalb nicht zu ersetzen, weil die Beklagten den Mangel nicht zu vertreten hat.
a) Die vom Kläger geltend gemachten Schadenspositionen sind teilweise als Schadensersatz statt der Leistung im Sinne von der § 281 Abs. 1 BGB einzuordnen und teilweise als einfacher Schadensersatz wegen Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB. Beim erstgenannten Fall des Schadensersatzes statt der Leistung im Zusammenhang mit einem Sachmangel ist die „Leistung“, an deren Stelle der Schadensersatz nach § 437 Nr. 3 BGB tritt, die vom Verkäufer geschuldete Nachbesserung. Es sind die Vermögenseinbußen, die durch eine ordnungsgemäße Nachbesserung oder Nacherfüllung vermieden worden wären, zu ersetzen. Das von § 281 Abs. 1 S. 2 BGB vermutete Vertretenmüssen (Verschulden) bezieht sich hier allein auf die Nacherfüllung, das heißt es ist schon dann zu bejahen, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung schuldhaft verweigert. Demgegenüber bezieht sich beim einfachen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB die Pflichtverletzung aufgrund der Verweisung in § 437 Nr. 3 BGB auf das Vorhandensein eines Sachmangels bei Gefahrübergang. Dieser Mangel ist von einem Verkäufer nur zu vertreten, wenn der Hersteller sein Erfüllungsgehilfe war, er den Mangel kannte oder er den Mangel verursacht hat (Palandt/Grüneberg, o.a.O., § 280 Rz. 19).
Für die Abgrenzung zwischen einfachem Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB und Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 Abs. 1 BGB kommt es darauf an, ob der Schaden durch die geschuldete Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) beseitigt oder vermieden worden wäre (BeckOK BGB/Faust, 50. Edition, § 437 Rz. 68 f.). Wäre der Eintritt eines Schadens beim Käufer auch bei einer rechtzeitig erfolgten Nachbesserung durch den Verkäufer nicht verhindert worden, so fällt dieser Schaden unter § 280 Abs. 1 BGB und ist nicht zu ersetzen, wenn der Verkäufer den Mangel nicht zu vertreten hatte.
Die vorstehende Unterscheidung ist hier von Bedeutung, weil das Berufungsgericht aufgrund der Darlegungen der Beklagten und der beigebrachten Belege der Überzeugung ist, dass die Beklagte in Bezug auf die Ursache des Getriebeschadens kein Verschulden trifft, während sie die geschuldete Nachbesserung schuldhaft verweigert hat, weil sie das Fahrzeug zumindest hätte untersuchen (lassen) müssen und dann festgestellt hätte, dass die Ursache für den Getriebeschaden schon vor dem 15.7.2016 angelegt war. Dass die Beklagte die Vermutung des § 280 Abs. 1 S. 2 BGB hinsichtlich des Getriebeschadens bzw. seiner Ursache nach Überzeugung des Gerichts widerlegt hat ergibt sich aus Folgendem:
Sollte Ursache des Getriebeschadens die unsachgemäße Befestigung des Sicherungsringes nach bzw. bei Arbeiten im Getriebe gewesen sein, erscheint es hinreichend sicher ausgeschlossen, dass solche Arbeiten von der Beklagten vorgenommen worden sind oder sie Kenntnis davon hatte. Denn die Beklagte hat unter Vorlage der Rechnungen über Garantiearbeiten und Inspektionen, die sie für den Voreigentümer durchgeführt hat, glaubhaft gemacht, dass seit dem Ersterwerb bei ihr an dem Fahrzeug keine Arbeiten vorgenommen worden sind, die das Getriebe betrafen (Schriftsatz vom 12.3.2018 S. 3 mit Rechnung Anlage B 2 und Schriftsatz vom 12.2.2019 mit Anlagen Bl. 227 – 239 d.A.). Der Sachverständige hat auch auf kritische Nachfrage des Klägers im Termin erläutert, dass die in der „Standard Claimes List“ (Bl. 229 d.A.) aufgeführten Mangelerscheinungen keine solchen betreffen, die mit dem Getriebe zusammenhängen. Das Fehlen entsprechender Arbeiten der Beklagten wird ferner durch die die gut nachvollziehbare Einschätzung des Sachverständige A erhärtet, dass Vertragshändler mit Werkstatt, sofern sie nicht ausnahmsweise darauf spezialisiert sind, bei Schäden das Getriebe nicht öffnen, sondern bei Schäden am Getriebe dieses austauschen, weil der Hersteller Marke1 für eine etwaige Reparatur keine Ersatzteile bereithalte. Es verbleibt damit noch die Möglichkeit, dass ein Dritter im Auftrag der Voreigentümerin Arbeiten am Getriebe ausgeführt hat, es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte davon gewusst haben könnte.
Sollte Ursache des Getriebeschadens der vorzeitige Verschleiß der Doppelkupplung sein, so trifft die Beklagte als Händlerin dafür keine Verantwortung. Der Hersteller ist grundsätzlich nicht Erfüllungsgehilfe des Zwischenverkäufers. Auch der Sachverständige hat den Kupplungsschaden beim weiteren Öffnen des Getriebes festgestellt (Protokoll S. 2). Die Beklagte hat aber, wie bereits ausgeführt, dargelegt, dass sie keine Arbeiten am Getriebe vorgenommen hat. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte den zunehmenden Verschleiß an der Kupplung vor dem 15.7.2016, also etwa ein Jahr vor Eintritt des Schadens, erkennen konnte, etwa durch Späne, die der Sachverständige 1 ¼ Jahr später – allerdings im Getriebe – festgestellt hat, bestehen nicht.
b) Soweit die Beklagte die Entstehung der einzelnen Schäden mit Nichtwissen bestritten hat, bedurfte es nach § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO keiner Beweiserhebung, weil der Kläger durch nachvollziehbare Darstellung der Gründe für die Entstehung und die Vorlage von Rechnungen Kosten hinreichend glaubhaft gemacht hat.
c) Für die einzelnen Positionen gilt mithin:
(1) Die Kosten von 28,56 € für die Schadensfeststellung durch die Fa. C (mittels Diagnoseeinheit) am 7.7.2017 (Rechnung K 2) sind dem einfachen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB zuzuordnen, weil diese Kosten sofort nach Auftreten des Schadens und noch vor einer möglichen Reparatur durch die Beklagten entstanden sind. Nach den Ausführungen zu a) hat die Beklagte mangels Vertretenmüssens dafür nicht einzustehen.
(2) Dasselbe gilt für die Abschleppkosten von 182,07 € für die Strecke von der Autobahn zur Werkstatt der Fa. C (Rechnung der Fa. D, Anlage K 3). Diese Kosten sind unmittelbar nach Auftreten des Schadens noch vor einer frühestens möglichen Nachbesserung der Beklagten angefallen.
(3) Ebenso sind die Aufwendungen von 14,40 € dafür, dass der Kläger und seine Frau während des Transport des Fahrzeuges zur Fa. C und der (Erst-)Untersuchung ihre noch kleinen Kinder zu den Schwiegereltern des Klägers verbracht haben, als Schäden im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB einzustufen, die hier nicht ersatzfähig sind.
(4) Die Kosten für ein Mietfahrzeug vom 8.7.2017 bis zum 21.7.2017 (Fortsetzung der Urlaubsfahrt zur Ostsee) in Höhe von 942,56 € (Rechnung Fa. E, K 5) und auch der Nutzungsausfall für die Zeit, in dem sich das klägerische Fahrzeug zur Reparatur (Austausch des Getriebes) danach noch bei der Fa. C in Stadt1 befand (21.7.2018 bis 19.8.2017), sind nach den Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht als Schadensersatz statt der Leistung (Nacherfüllung) im Sinne von § 281 Abs. 1 BGB anzusehen und deshalb nicht durch die Beklagte zu ersetzen (vgl. allgemein zur möglichen Einordnung des Nutzungsausfalls unter die verschiedenen Tatbestände des Schadensersatzes: Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 437 Rz. 35 m.w.N.). Hätte nämlich die Beklagte, wie dies der Kläger bereits am 7./.8.7.2017 verlangt haben will, oder spätestens am 21.7.2019 die Reparatur des Getriebes als Nacherfüllungsleistung übernommen, so wäre das Fahrzeug für denselben Zeitraum ausgefallen. Denn der Kläger hat vorgetragen, dass die Reparatur des Fahrzeugs deshalb so lange Zeit – bis zum 18.8.2018 – in Anspruch genommen habe, weil es „Lieferverzögerung im Bezug“ auf Bauteile gab. Genauer ist die Reparatur durch Einbau eines Austauschgetriebes erfolgt und das Getriebe war nicht früher lieferbar (vgl. so Kläger in der Zusammenstellung vom 21.7.2019, Anlage B 3). Da auch die Beklagte nach den Ausführungen des Sachverständigen das Getriebe nicht hätte reparieren können, sondern ein Austauschgetriebe eingebaut hätte, ist davon auszugehen, dass Mietwagenkosten und Nutzungsausfall für denselben Zeitraum auch dann entstanden wären, wenn die Beklagte sich am 7. oder 8.7.2017 bereit erklärt hätte, die Nachbesserung (Getriebeaustausch) zu übernehmen.
(5) Demgegenüber sind die Fahrkosten für die Abholung des klägerischen Fahrzeuges am 19.8.2017 bei der Fa. C in Stadt1 (Hin- und Rückfahrt mit PKW) in Höhe von 238,- € nach §§ 281 Abs. 1, 437 Nr. 3 BGB zu ersetzen. Diese Kosten wären nicht entstanden, wenn die Beklagte die Reparatur des Fahrzeuges übernommen hätte. Dass sie gegenzurechnende Aufwendungen für ihren Transport vom Kläger verlangt hätte, ist nicht dargetan. Die Höhe von 0,30 €/km hält das Gericht für angemessen (§ 287 Abs. 1 ZPO).
(6) Als Schaden schon nicht ersatzfähig ist der vom Kläger mit 175,- € (25,- €/Stunde) angesetzte private Zeitaufwand für die Abholung. Insoweit ist kein ersatzfähiger Vermögensschaden gegeben. Ein entgangener Verdienst ist nicht dargelegt zumal die Abholung an einem Samstag erfolgte.
(7) Demgegenüber besteht ein Anspruch auf Erstattung der – nach Teilausgleichung durch die Garantieversicherung verbliebenen – Reparaturkosten von 2.262,08 € (Rechnung F GmbH, K 7, Bl. 16 d.A.). Hierbei handelt es sich um einen Schaden statt der Leistung, da sie deshalb entstanden sind, weil die Beklagte die Nacherfüllung verweigert hat. Reparaturkosten kann der Käufer aus §§ 437 Nr. 3, 281 Abs. 1 BGB schon dann verlangen, wenn der Verkäufer die Verweigerung der Nacherfüllung zu vertreten hat (vgl. Palandt/Weidenkaff, a.a.O., § 439 Rz. 22 f. m.w.N.).
(8) Die Kosten für die Einholung des vorgerichtlichen Gutachten der DEKRA in Höhe von 3.799,43 € (Rechnung vom 21.9.2017, K 9, Bl. 19 d.A.) stellen gleichfalls einen Schaden statt der Leistung im Sinne von § 281 Abs. 1 BGB dar, weil die Ermittlung der Ursache des Getriebeschadens nicht erforderlich gewesen wäre, wenn die Beklagte das Getriebe untersucht und die Reparatur übernommen hätte. Sie stellen als Prozessvorbereitungskosten einen ersatzfähigen Schaden dar. Der Kläger durfte mangels eigener Kenntnisse diese Kosten zur Durchsetzung seines Anspruches aufwenden. Das Gutachten konnte auch tatsächlich im Prozess verwertet werden.
Soweit die Beklagte im nicht dazu nachgelassenen Schriftsatz vom 19.6.2019 erstmals bestreitet, dass der Kläger hinsichtlich der vorgerichtlichen Gutachterkosten aktivlegitimiert sei, weil die Gutachterkosten von seiner Rechtsschutzversicherung gezahlt worden sein könnten, war dies nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen.
(9) Die geltend gemachte Aufwendungspauschale von 25,- € ist auch im Rahmen des Schadens nach §§ 281 Abs. 1, 337 Nr. 3 BGB, nämlich für die dem Kläger für die durch die Unterlassung der Nacherfüllung durch die Beklagte notwendig gewordenen Mühen, gerechtfertigt, was schon allein der Vortrag zur Kommunikation mit dem bei Stadt2 liegenden Autohauses C und der Abholung des Fahrzeuges dort zeigen.
Dem Kläger steht mithin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.324,51 € zu (Fahrtkosten zur Abholung 238,- €; Reparaturkosten 2.262,08 €; Gutachten der DEKRA 3.799,43 €; Aufwandspauschale 25,- €).
5.
Der Anspruch auf anteilige Erstattung der vorgerichtlich aufgewendeten Anwaltskosten von 603,11 € ist aus dem Gesichtspunkt der Prozessvorbereitungskosten Teil des Schadensersatzanspruches aus den §§ 281 Abs. 1, 437 Nr. 3 BGB.
Der Zinsanspruch ist aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 BGB sowie hinsichtlich der Beweisaufnahmekosten auf § 96 ZPO.
Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Eine grundsätzliche Bedeutung vermag das Gericht nicht aufgrund der Frage der Verjährung zu sehen. Die nationale Folgerung aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre wird bislang einhellig darin gesehen, dass eine entsprechende vertragliche Verkürzung trotz der Regelung in § 475 a.F. = § 476 n.F. BGB unwirksam ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.