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Nachlieferung eines mangelfreien gleichwertigen Ersatzfahrzeuges

LG Karlsruhe, Az.: 10 O 109/16, Urteil vom 07.03.2017

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 27.595,21 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Nacherfüllung in Form einer Nachlieferung nach dem Kauf eines vom sogenannten „VW-Abgasskandal” betroffenen Neufahrzeugs.

Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 06.03.2015 von der Beklagten, einer gewerblichen Autohändlerin, ein Neufahrzeug der Marke Skoda, Typ Yeti 2,0 TDI, 103kw zu einem Gesamtkaufpreis von 27.595,21 €. Der Kaufpreis wurde von dem Kläger an die Beklagte bezahlt, das Fahrzeug wurde am 09.04.2015 an den Kläger ausgeliefert.

Das klägerische Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der von dem sogenannten „VW-Abgasskandal” betroffen ist. In der Motorsteuerung dieser Fahrzeuge wurde eine Software installiert, die Testsituationen, etwa wenn sich das Fahrzeug auf dem Rollenprüfstand befindet, erkennt. Auf dem Prüfstand schaltet sie in den NOx-optimierten Modus 1. In diesem Modus findet eine relativ hohe Abgasrückführung statt mit niedrigerem Stickoxidausstoß. Im normalen Fahrbetrieb wird in den Modus 0 umgeschaltet, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer ist.

Das klägerische Fahrzeug wurde als der Schadstoffklasse Euro 5 zugehörig angeboten und verkauft. Die Voraussetzungen für eine Typenzulassung ergeben sich aus der Verordnung 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge.

Nachlieferung eines mangelfreien gleichwertigen Ersatzfahrzeuges
Symbolfoto: Tatiana Belova/Bigstock

Das Kraftfahrt-Bundesamt ordnete für die mit der beschriebenen Software versehenen Modelle den Rückruf an und gab VW auf, die Fahrzeuge in den nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften vorgeschriebenen Zustand zu versetzen (Anlage K11). Die Volkswagen AG entwickelte daraufhin einen Zeit- und Maßnahmenplan, der im Oktober 2015 durch das Kraftfahrt- Bundesamt für verbindlich erklärt wurde. Am 25.11.2015 stand das Konzept der technischen Überarbeitung für sämtliche betroffenen Motor- und Leistungstypen verbindlich fest. Die für Skoda zuständige VCA erteilte mit Freigabebestätigung vom 10.06.2016 die Freigabe für das streitgegenständliche Fahrzeug. Vorgesehen war im Rahmen der Überarbeitung ein Software-Update, nach dessen Aufspielen das Fahrzeug auch im Straßenverkehr im Wesentlichen mit der Abgasrückführungsrate betrieben wird, die es zuvor auf dem Rollenprüfstand aufwies. Außerdem wurden die Einspritzstrategie sowie einige weitere Parameter grundlegend überarbeitet. Im Rahmen der Rückrufaktion wurden die Fahrzeughalter von der VW AG darauf hingewiesen, dass bei Nicht-Teilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gemäß § 5 FZV durchgeführt werden könnte.

Der Kläger verlangte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.12.2015 von der Beklagten die Lieferung eines mangelfreien, typengleichen Neufahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion (Anlage K2). Das Fahrzeug Skoda Yeti 2,0 TDI wird zwischenzeitlich mit einem neuen Motor, der die Anforderungen der Schadstoffklasse 6 erfüllt, mit veränderter PS-Zahl (110kW statt ursprünglich 103kW) hergestellt. Eine Nachlieferung wurde von der Beklagten abgelehnt (Anlage K3).

Die Beklagte bot dem Kläger im Oktober oder November 2016 die Nachbesserung durch Aufspielen eines Software-Updates an. Der Kläger lehnt das Aufspielen eines Software-Updates ab.

Der Kläger trägt vor, das Fahrzeug sei mit einem Mangel behaftet gewesen. Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung, mit der fälschlicherweise bestätigt worden sei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug dem geltenden EU-Recht entspreche, stelle eine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Aus den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu dem Fahrzeug zur Verfügung gestellten Werbematerialien ergebe sich die Zuordnung zur Schadstoffklasse Euro 5; tatsächlich erfülle das klägerische Fahrzeug jedoch nicht die Vorgaben dieser Schadstoffklasse. Gemäß Art. 4 Abs. 2 der VO 715/2007 seien die Grenzwerte auch im Normalbetrieb einzuhalten, diese würden jedoch nicht eingehalten werden. Der NOx- Ausstoß würde im normalen Fahrbetrieb um einen Faktor bis zum 35-fachen über die gesetzlichen Grenzwerte ansteigen; dies stelle ein erhöhtes gesundheitliches Risiko dar.

Das Fahrzeug sei im Übrigen wegen eines nach dem Kraftfahrt-Bundesamts zulassungs- bzw. genehmigungsrelevanten Mangels in seiner Zulassungsfähigkeit eingeschränkt, da bei einer Nichtteilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung nach § 5 FZV durchgeführt werden könne.

Das Fahrzeug weiche infolge der verbauten Abschalteinrichtung von der üblichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit ab. Dem Kläger sei es darauf angekommen, ein umweltfreundliches, wertstabiles Fahrzeug zu erwerben. Die Zuordnung in die genannte Schadstoffklasse sei bei seiner Kaufentscheidung wesentlich gewesen.

Eine Nachlieferung durch die Beklagte sei möglich, da Fahrzeuge der gleichen Gattung weiterhin hergestellt werden würden. Der Hersteller biete das Fahrzeug in nahezu identischer Ausstattung weiterhin an. Die Variante des neuen Pkws stelle ein gleichartiges und gleichwertiges Ersatzfahrzeug dar. Der Vertrag zwischen den Parteien sei dahingehend auszulegen, dass auch der jetzt lieferbare Skoda Yeti mit 110 kW und einer Schadstoffklasse Euro 6 von dem Leistungsumfang nach dem Vertragsinhalt erfasst sei. Die Gattung sei nach den im Kaufvertrag einbezogenen Neuwagen-Verkaufsbedingungen dahingehend definiert worden, dass auch bestimmte Leistungsänderungen durch die Beklagte hätten bestimmt werden können. Die vertraglich geschuldete Leistung sei danach zu definieren, wie weit der Leistungsspielraum des Schuldners gehe. Gemäß Ziff. IV 6. der dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Neuwagen-Verkaufsbedingungen seien Änderungen seitens des Herstellers während der Lieferzeit vorbehalten geblieben. Auch eine Änderung des Motorenhubraums durch die Beklagte sei zulässig gewesen, sofern diese für den Kläger zumutbar gewesen wäre. Die Beklagte verhalte sich treuwidrig, indem sie einerseits in ihren AGB einen weitreichenden Änderungsvorbehalt verankert habe, andererseits aber meine, der Kläger könne kein neues, leicht verändertes Fahrzeug verlangen.

Auf die Möglichkeit einer Nachbesserung durch das Aufspielen eines Software-Updates müsse der Kläger sich nicht verweisen lassen; die Nachbesserung sei aufgrund der nicht absehbaren Folgen, insbesondere bezogen auf die Verbrauchswerte und die Haltbarkeit des Motors unmöglich i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB. Jedenfalls ein berechtigter Mangelverdacht wie auch ein merkantiler Minderwert würden auch nach Aufspielen des Software-Updates verbleiben.

Der Kläger beruft sich zur Begründung des Nachlieferungsanspruchs auch auf einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 311, 241 Abs. 2 BGB aufgrund arglistiger Täuschung.

Neben dem Nachlieferungsanspruch begehrt der Kläger die Feststellung, dass sich der Beklagte im Verzug der Annahme befindet. Der Kläger verlangt von der Beklagten überdies die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe einer 2,0 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Der ursprünglich unbezifferte Antrag wurde mit Schriftsatz vom 10.08.2016 beziffert.

Der Kläger beantragte zuletzt

1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Skoda Yeti 2,0 TDI 4×4, FIN: … Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeug Skoda Yeti 2,0 TDI 4×4, FIN … nachzuliefern.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Neulieferung und mit der Rücknahme der im Klageantrag Ziff. 1 genannten Fahrzeuge in Verzug befindet.

3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.307,51 € freizustellen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, eine Beschaffenheitsvereinbarung sei zwischen den Parteien nicht geschlossen worden. Das Fahrzeug sei in seiner Gebrauchstauglichkeit infolge der zwei Betriebsmodi nicht beeinträchtigt. Die Beschaffenheit weiche nicht von der gewöhnlichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit ab. Die Typengenehmigung, die Voraussetzung für das Erfüllen der VO EG Nr. 175/2007 sei, beruhe stets auf Messungen unter Laborbedingungen, die sich im Straßenverkehr nicht wiederholen ließen. Eine Abweichung der Emissionswerte im Fahrbetrieb, verglichen mit den im Rahmen des Tests gemessenen Emissionswerten, sei zu erwarten. Das Fahrzeug sei weiterhin der Typenklasse 5 zugehörig; die installierte Software habe keinen Einfluss auf Bestand und Wirksamkeit der Typengenehmigung. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe lediglich eine nachträgliche Nebenbestimmung zur Typengenehmigung vorgenommen.

Eine Nachlieferung sei unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB. Der Kläger könne nicht die Lieferung eines fabrikneuen typengleichen Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion mit einer höheren Motorleistung und einer Euro 6- Typengenehmigung verlangen, da es sich bei der Lieferung eines solchen Fahrzeugs um ein dem Kläger nicht zustehendes „Mehr” gegenüber dem Vertragsgegenstand handeln würde. Der Nacherfüllungsanspruch könne nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch.

Im Übrigen sei eine Nachbesserung möglich und das Wahlrecht des Klägers sei auch im Falle einer möglichen Nachlieferung gemäß § 439 Abs. 3 S. 2 BGB ausgeschlossen, da eine Nachlieferung im Vergleich mit einer Nachbesserung nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten möglich sei.

Ein Anspruch auf Schadensersatz aus den Gesichtspunkten der c. i. c. komme nach dem hier erfolgten Gefahrübergang nicht in Betracht. Die Beklagte müsse sich ein Verschulden der VW AG nicht zurechnen lassen.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten keine Nachlieferung gemäß §§ 433 Abs. 1, 434 Abs. 1, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB verlangen. Das gelieferte Fahrzeug ist mangelhaft i. S. d. § 434 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Die Beklagte konnte sich jedoch mit Erfolg darauf berufen, dass eine Nachlieferung gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich ist, da ein mangelfreies gleichartiges und gleichwertiges Neufahrzeug nicht geliefert werden kann. Ein Anspruch auf Nachlieferung steht dem Kläger auch nicht aus §§ 280 Abs. 1, 311 BGB zu, da der Beklagten eine arglistige Täuschung der VW-AG nicht zuzurechnen ist und eine Naturalrestitution durch Lieferung eines Neufahrzeugs außerdem unmöglich ist. Infolgedessen kann der Kläger auch keine vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren als akzessorische Nebenforderung verlangen.

1. Ein Sachmangel i. S. d. § 434 Abs. 1 BGB liegt aufgrund der in der Motorsteuerung integrierten Software, mit der die Stickoxidemissionen auf dem Rollenprüfstand beeinflusst werden, vor.

a) Ein Sachmangel durch eine Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit gemäß §§ 434 Abs. 1 S. 1, 3 BGB liegt nahe, da die Angabe der Schadstoffklasse Euro 5 in dem Fahrzeugprospekt ausdrücklich enthalten war (Anlage K52, S. 36 des Prospekts „Technische Daten”), die Grenzwerte der Schadstoffklasse 5 jedoch nur durch das Umschalten des Motors in den Prüfstandmodus eingehalten werden konnten (vgl. auch LG Bückeburg, Urteil vom 11. Januar 2017 ‒ 2 O 39/16 ‒, Rn. 26, juris). Ob bereits infolgedessen eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit anzunehmen ist oder ob, wie die Beklagte meint, keine Abweichung vorliegt, da das Fahrzeug aufgrund der Bestandskraft der Typengenehmigung weiterhin als der Schadstoffklasse 5 zugehörig zu werten ist, kann jedoch im Ergebnis dahinstehen: Ein Sachmangel ergibt sich jedenfalls aufgrund einer Abweichung von der Beschaffenheit, wie sie bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die ein Käufer nach Art der Sache erwarten kann, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB. Zur Beschaffenheit eines Kaufgegenstands können alle Eigenschaften gehören, die der Sache selbst anhaften sowie alle Beziehungen einer Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsanschauung Einfluss auf die Wertschätzung haben oder die Brauchbarkeit der Sache beeinflussen und ihr unmittelbar anhaften (Palandt- Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 434 Rn. 10.) Der Motor EA 189 entsprach aus folgenden Erwägungen nicht der Beschaffenheit, wie sie bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die ein Käufer nach Art der Sache erwarten kann. Unstreitig wechselte die Motorsteuerung auf dem Prüfstand in den optimierten Modus 1, in dem eine erhöhte Abgasrückführung erfolgte als im normalen Farbetrieb. Nur dadurch wurden bei der Prüfstandfahrt die Abgaswerte der Schadstoffklasse Euro 5 erreicht. Dieses gezielte Umschalten zwischen zwei Modi begründet eine Beschaffenheit, die nicht üblich und auch nicht vom Käufer zu erwarten ist.

Der Einwand der Beklagten, die Typengenehmigung beruhe stets auf Messungen, die unter Laborbedingungen vorgenommen würden, führt nicht dazu, dass der Käufer mit einer Motorsteuerung rechnen musste, die zwischen zwei Modi wechselt. Ein Käufer wird zwar nicht erwarten können, dass im realen Fahrbetrieb regelmäßig die im Prüfstandmodus erzielten Werte eingehalten werden, er kann jedoch erwarten, dass die Motorsteuerung im Prüfstandmodus jedenfalls im Wesentlichen identisch wie im realen Fahrbetrieb funktioniert (LG Krefeld, Urt. v. 14.09.2016, 2 O 72/16, zitiert nach juris). Der Käufer muss nicht damit rechnen, dass die Abgasrückführung im realen Fahrbetrieb anders gesteuert wird als auf dem Rollenprüfstand und die angegebenen Werte mithin keinerlei Aussagekraft haben (LG Hagen (Westfalen) Urt. v. 18.10.2016, 3 O 66/16; LG Ansbach, Urteil vom 31. Oktober 2016 ‒ 2 O 226/16, zitiert nach juris).

Überdies ergibt sich eine Abweichung von der üblichen und vom Käufer zu erwartenden Beschaffenheit auch dadurch, dass der Käufer eines Fahrzeugs mit einem entsprechenden Motor nach den Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes verpflichtet werden kann, ein Software-Update durchführen zu lassen, um die Betriebserlaubnis seines Fahrzeugs nicht zu gefährden. Der Käufer eines Fahrzeugs darf erwarten, dass er ein Fahrzeug erwirbt, dessen Betriebserlaubnis nicht gefährdet ist oder von Auflagen abhängig gemacht werden kann (LG Hagen (Westfalen) Urt. v. 18.10.2016, 3 O 66/16, zitiert nach juris).

b) Ein Nacherfüllungsanspruch steht dem Kläger infolge der Mangelhaftigkeit seines Fahrzeugs zu. Grundsätzlich steht dem Kläger als Käufer ein Wahlrecht zwischen Nachlieferung und Nachbesserung zu. Der Nachlieferungsanspruch des Klägers ist jedoch untergegangen, da eine Nachlieferung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich war. Die Lieferung eines gleichartigen und gleichwertigen Neufahrzeugs ist unter Zugrundelegung des übereinstimmenden Tatsachenvortrags der Parteien objektiv unmöglich.

Bei den Nacherfüllungsansprüchen aus § 439 Abs. 1 BGB handelt es sich um Modifikationen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs aus § 433 Abs. 1 BGB. Bei der in § 439 Abs. 1 BGB vorgesehenen Nachlieferung decken sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Nacherfüllungsanspruch und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch; der Käufer soll das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat. Bei der Ersatzlieferung ist anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Sache eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige Sache zu liefern (BGH, Urt. v. 17.10.2012, NJW 2013, 220). Insbesondere angesichts der weitreichenden Auswirkungen eines Nachlieferungsanspruchs ‒ der Käufer erhält ein neues Fahrzeug ohne Nutzungsersatz für die Nutzung des ursprünglichen Fahrzeugs leisten zu müssen ‒ bedarf es im Falle des erhobenen Einwands, die Nachlieferung sei unmöglich, einer sorgfältigen Prüfung, ob eine gleichartige und gleichwertige Sache noch geliefert werden kann.

Der Anspruch des Neufahrzeugkäufers ist grundsätzlich auf die Lieferung eines marken- und typengleichen Fahrzeugs mit identischer Ausstattung und in gleicher Farbe gerichtet (Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 727). Die Ersatzlieferung zielt auf die Lieferung einer mangelfreien Sache aus der geschuldeten Gattung; angesichts der Vielzahl von Ausstattungsvarianten kann allerdings keine 100 %ige Identität gefordert werden. Sofern die Produktion eines Modells in der ursprünglich bestellten Version eingestellt wurde und der Verkäufer auch am Markt keinen gleichartigen und gleichwertigen Ersatz beschaffen kann, liegt jedoch ein Fall der Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB vor (Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage 2017, Rn. 727).

Die Umstände des konkreten Falls führen dazu, dass eine Unmöglichkeit der Nachlieferung gemäß § 275 Abs. 1 BGB anzunehmen ist. Die Produktion der Motoren des Typs EA 189 wurde eingestellt; im Übrigen könnte durch die Lieferung eines Fahrzeugs mit einem entsprechenden Motor keine Nacherfüllung erfolgen, da sämtliche der genannten Motoren mit dem identischen Mangel behaftet waren. Ob eine Unmöglichkeit der Nacherfüllung bereits infolge der Mangelhaftigkeit der gesamten Gattung anzunehmen ist (so Steenbuck, MDR 2016, 185, 187), erscheint fraglich, kann jedoch im Ergebnis aus den nachfolgenden Erwägungen dahinstehen:

Die Beklagte kann sich mit Erfolg darauf berufen, dass der als Neufahrzeug aktuell verfügbare Skoda Yeti keine gleichartige und gleichwertige Leistung darstellt: Ein Pkw wird im Wesentlichen durch Marke, Baureihe, Typ, Karosserie und Motor charakterisiert. Neben dem äußeren Erscheinungsbild des Fahrzeugs kommt gerade seiner Motorisierung besonderes Gewicht zu (OLG Nürnberg, Entscheidung vom 15. Dezember 2011 ‒ 13 U 1161/11 ‒, Rn. 45, juris). Der neue Motor, mit dem die aktuelle Version des Skoda Yeti nunmehr ausgestattet ist, unterscheidet sich unstreitig zum Einen hinsichtlich der Leistungsstärke (110 kW statt der gelieferten 103 kW) und erfüllt überdies eine andere Schadstoffklasse (EURO 6 statt der bisherigen EURO 5). Das Fahrzeug ist infolgedessen nicht gleichwertig, sondern höherwertig. Sowohl die Leistungsstärke des Motors als auch die Zuordnung zu einer Schadstoffklasse sind charakterisierende Merkmale: Die Motorisierung von 103kW wurde auf der verbindlichen Bestellung und der Auftragsbestätigung ausdrücklich angegeben (Anlage K1). In der Rechtsprechung wird teilweise die Ansicht vertreten, dass auch ein Modell mit einem etwas stärkeren Motor erfüllungstauglich sei, da der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag für den Fall einer herstellerseitigen Umstellung des Modells auf einen etwas stärkeren Motor dahin ergänzend auszulegen sei (OLG Hamm, Urteil vom 22. Juli 2010 ‒ I-2 U 242/09 ‒, Rn. 29, juris). Ob die Veränderung der kW-Leistung für sich genommen ausreichen würde, eine Unmöglichkeit zu begründen, kann im vorliegenden Fall jedoch dahinstehen, da eine entscheidende Veränderung des Motors auch durch die Veränderung des Schadstoffausstoßes, der nunmehr den Vorgaben der Schadstoffklasse 6 genügt, vorgenommen wurde. Aus dem vom Kläger vorgelegten Prospekt (Anlage K52, S. 36 des Prospekts ”Technische Daten”) ergibt sich, dass der Skoda Yeti, der Verkaufsgegenstand war, die Euro 5 Norm erfüllte. Diese Vorgabe wurde mithin auch Teil der zwischen den Parteien vereinbarten Beschaffenheit (vgl. § 434 Abs. 1 S. 1, 3 BGB). Die Zuordnung zu einer bestimmten Schadstoffklasse und die Einhaltung der dadurch vorgegebenen Schadstoffwerte war nach dem klägerischen Vortrag für den Kläger bei seiner Kaufentscheidung wesentlich. Die Lieferung eines Fahrzeugs mit einer niedrigeren Schadstoffklasse wäre für den Kläger unter Zugrundelegung seines eigenen Vortrags sicherlich nicht akzeptabel gewesen. Überdies beeinflusst die Zuordnung zu einer bestimmten Schadstoffklasse auch den Wert des Fahrzeugs: Insbesondere angesichts der zunehmenden Sensibilisierung für den Schadstoffausstoß und der daraus resultierenden einschränkenden gesetzlichen Vorgaben zur Nutzung bestimmter Fahrzeuge kommt der Zuordnung zu einer bestimmten Schadstoffklasse auch objektiv gesehen eine wichtige Bedeutung zu.

Eine Gesamtschau der Veränderungen am Motor des jetzt als Neufahrzeug produzierten Skoda Yeti führt dazu, dass eine Gleichwertigkeit zu dem Vertragsgegenstand nicht vorliegt.

Auch der Einwand des Klägers, die Beklagte sei nach den neuen gesetzlichen Vorgaben bei der Lieferung von Neufahrzeugen zur Einhaltung der Schadstoffklasse 6 verpflichtet, führt nicht zu einer anderen Beurteilung: Die Tatsache, dass neu produzierte Fahrzeuge die Schadstoffklasse Euro 6 erfüllen müssen, führt nicht dazu, dass der Kläger ein entsprechendes, höherwertiges Fahrzeug verlangen kann.

Der Umstand, dass gemäß Ziff. IV 6. der dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Neuwagen-Verkaufsbedingen Änderungen seitens des Herstellers während der Lieferzeit vorbehalten geblieben sind, bedeutet nicht, dass der Kläger im Wege der Nachlieferung nunmehr ein Fahrzeug mit einer veränderten Beschaffenheit verlangen kann: Bei der Frage, ob die Lieferung eines gleichartigen und gleichwertigen Fahrzeugs möglich ist, muss entscheidend auf die konkrete vertraglich vereinbarte Beschaffenheit des gelieferten Fahrzeugs abgestellt werden. Sofern zuvor Änderungen der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit erfolgten, sind diese zu berücksichtigen; nicht zu berücksichtigen ist jedoch die bloße Möglichkeit einer Änderung. Die Tatsache, dass der Kläger die Nachlieferung ausdrücklich wählte und mit der Lieferung eines nicht gleichwertigen und gleichartigen Fahrzeugs einverstanden war, ist ohne Bewandtnis; dem Kläger steht kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu (OLG Nürnberg, Entscheidung vom 15. Dezember 2011 ‒ 13 U 1161/11 ‒, juris).

Der Unmöglichkeit der Nachlieferung steht nicht entgegen, dass ein identisches Fahrzeug wie das klägerische theoretisch weiterhin produziert und geliefert werden könnte. Die Beklagte ist nicht Herstellerin der Fahrzeuge; ihre Leistungspflicht erstreckt sich nur darauf, Fahrzeuge, die von der Herstellerin serienmäßig produziert werden, zu liefern.

2.

Der Kläger kann von der Beklagten auch nicht im Wege eines Schadensersatzanspruchs aufgrund arglistiger Täuschung gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 BGB die Lieferung des geforderten Neufahrzeugs verlangen. Die Anwendung von §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Kaufvertrag zustande kommt und der Gefahrübergang stattgefunden hat. Liegt eine vorsätzliche Pflichtverletzung vor, kommt jedoch eine Anwendung der c. i. c. auch nach Gefahrübergang in Betracht (Palandt, Kommentar zum BGB, § 437, Rn. 51 a).

Da es sich, wie bereits ausgeführt, bei der jetzt lieferbaren Version des Skoda Yeti nicht um ein gleichartiges und gleichwertiges Fahrzeug handelt, würde eine Nachlieferung keine Naturalrestitution darstellen. Überdies kann sich die Beklagte von dem vermuteten Vertretenmüssen gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB exkulpieren: Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Kenntnis von der Installation der verwendeten Software hatte, liegen nicht vor. Die Beklagte muss sich eine etwaige arglistige Täuschung der Antragsgegnerin nicht zurechnen lassen (OLG Celle, Beschluss vom 30. Juni 2016 ‒ 7 W 26/16 ‒, Rn. 8, juris; Palandt, Kommentar zum BGB, § 278, Rn. 13 m. w. N.); die VW-AG ist nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten.

Ein Anspruch auf Feststellung, dass sich die Beklagte im Verzug der Annahme befindet, steht dem Kläger mangels Nachlieferungsanspruchs nicht zu. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten als akzessorische Nebenforderung kann der Kläger mithin ebenfalls nicht verlangen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 BGB. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 S. 1 BGB.

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