Abgasmanipulation und Verbraucherrechte: Ein tiefgehender Blick auf das Landgericht Krefelds Entscheidung
Der Fall, der vor dem Landgericht Krefeld verhandelt wurde, dreht sich um die Klage einer Verbraucherin gegen eine Vertragshändlerin des PKW-Herstellers VW. Die Klägerin hatte ein Gebrauchtfahrzeug, einen VW Passat Variant 2.0 TDI, erworben und später erfahren, dass dieses Fahrzeug mit einer manipulativen Software ausgestattet war. Diese Software sorgte dafür, dass das Auto die EURO-5-Abgasnorm nur unter Testbedingungen, nicht jedoch im realen Straßenverkehr erfüllte. Das Hauptproblem des Falles liegt in der Frage, ob die Klägerin aufgrund dieses Mangels den Kauf rückgängig machen und den Kaufpreis zurückverlangen kann.
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Übersicht
Recht auf Rücktritt vom Kaufvertrag
Die Klägerin trat vom Kaufvertrag zurück, nachdem sie durch ein Schreiben der Volkswagen AG über die manipulative Software informiert wurde. Sie forderte die Rückzahlung des Kaufpreises und begründete dies mit der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs. Die Klägerin argumentierte, dass eine Nachbesserung für sie unzumutbar sei, da das Vertrauensverhältnis zum Hersteller nachhaltig gestört sei und eine Umrüstung des Fahrzeugs mehrere Monate in Anspruch nehmen würde.
Beklagte bestreitet Mangelhaftigkeit
Die Vertragshändlerin, gegen die die Klage gerichtet war, bestritt die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs. Sie argumentierte, dass die EG-Typengenehmigung des Fahrzeugs nicht aufgehoben worden sei und dass die Klägerin eine Frist zur Nachbesserung hätte setzen müssen. Die Beklagte behauptete, dass die Umsetzung der technischen Maßnahmen zur Umrüstung weniger als eine Stunde erfordern würde.
Gerichtliche Entscheidung und Verbraucherrechte
Das Gericht gab der Klägerin überwiegend Recht. Es stellte fest, dass das Fahrzeug einen Sachmangel aufwies, da es die EURO-5-Abgasnorm nicht erfüllte. Die Klägerin hatte daher das Recht, vom Kaufvertrag zurückzutreten und den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung zurückzuverlangen. Das Gericht stellte auch fest, dass die Beklagte sich in Annahmeverzug befand, da sie das Fahrzeug nicht zurückgenommen hatte.
Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Beklagte wurde verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, allerdings gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klage der Verbraucherin hatte jedoch keinen Erfolg im Hinblick auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung des Verbraucherschutzes im Kontext der Automobilindustrie und zeigt, dass manipulative Praktiken wie die Verwendung von betrügerischer Software nicht toleriert werden. Es stärkt die Rechte der Verbraucher, die sich auf die Angaben der Hersteller und Händler verlassen müssen, und sendet ein klares Signal an die Automobilindustrie.
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Das vorliegende Urteil
Landgericht Krefeld – Az.: 5 O 150/17 – Urteil vom 21.12.2017
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 29.450,16 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2017 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges VW Passat Variant 2.0 TDI. mit der Fahrgestellnummer XXX zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 18.02.2017 mit der Rücknahme des vorbezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Rückzahlung des von ihr geleisteten Kaufpreises für das Fahrzeug VW Passat Variant 2.0 TDI mit der Fahrgestellnummer XXX unter Abzug einer Nutzungsentschädigung:
Die Klägerin erwarb das vorgenannte Fahrzeug am 29.04.2015 als Gebrauchtfahrzeug von der Beklagten zum Kaufpreis von EUR 34.900,00. Das Fahrzeug hatte bei Übergabe an die Klägerin einen Kilometerstand von 28.430 km. Die Beklagte ist Vertragshändlerin des PKW-Herstellers VW. Sie ist nicht in die Konzernstruktur des Herstellers eingebunden und handelt im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Der Hersteller VW bewirbt den hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp im Rahmen der Auflistung der technischen Daten mit der EURO-5-Abgasnorm.
Am 30.11.2017 hatte das streitgegenständliche Fahrzeug eine Laufleistung von 67.469 km.
In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor vom Typ EA 189 der Volkswagen AG eingebaut, dessen Motorsoftware zur Optimierung der Stickstoff-Emissionswerte im behördlichen Prüfverfahren beigetragen hat. Die Software erkennt, ob sich das Kraftfahrzeug auf einem technischen Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte oder im realen Straßenverkehr befindet. Auf dem Rollenprüfstand spielt die eingebaute Software beim Stickstoffausstoß ein anderes Motorprogramm ab als im Normalbetrieb, wodurch auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte (NOx) erzielt werden als im Straßenbetrieb. Nur über diese Software wurden die nach der EURO-5-Abgasnorm vergebenen NOx-Grenzwerte eingehalten, außerhalb des Prüfstands werden die gesetzlichen Grenzwerte überschritten.
Darüber, dass auch ihr Fahrzeug von den behördenseitig beanstandeten technischen Abweichungen betroffen ist, wurde die Klägerin noch mit Schreiben der Volkswagen AG, versandt am 16.01.2017, informiert. Gefordert seitens des Kraftfahrt-Bundesamtes ist, dass sämtliche der betroffenen Fahrzeuge nach einem umfänglichen Zeit- und Maßnahmenplan als Bedingung für die Aufrechterhaltung der Betriebserlaubnis umzurüsten sind. Bei dem 2,0-Liter EA 189-Motor ist hierfür die Durchführung eines Software-Updates erforderlich. Nach Angaben von Volkswagen soll die Umsetzung dieser technischen Maßnahmen voraussichtlich weniger als eine Stunde in Anspruch nehmen. Gleichwohl ließ die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 07.02.2017 den Rücktritt von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag erklären und diesen unter Fristsetzung zum 17.02.2017 auffordern, den Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges zurückzuzahlen.
Im Zeitpunkt des Rücktritts hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 57.017 km.
Auch ohne die vorbeschriebenen Maßnahmen zur Umrüstung des Fahrzeuges ist das streitgegenständliche Fahrzeug fahrbereit und verkehrssicher. Die EG-Typengenehmigung wurde bislang nicht entzogen. Das KBA betrachtet das Software-Update jedoch als verpflichtend.
Die Klägerin ist der Auffassung, sich auf die Maßnahmen zur Umrüstung ihres Fahrzeuges nicht einlassen zu müssen. Sie behauptet, dass ihr Fahrzeug auch bei einer entsprechenden Nachrüstung ein vollständig neues Genehmigungsverfahren durchlaufen müsse, um in einen insoweit vertragsgerechten Zustand zu kommen, das aber mehrere Monate in Anspruch nehmen werde und ihr schon deshalb nicht zuzumuten sei. Außerdem führe eine Verringerung des NOx-Ausstoßes ohne Nutzung der unzulässigen Abschalteinrichtung zwingend zu einer Erhöhung der CO-2-Werte, des Kraftstoffverbrauchs und des Dieselpartikelausstosses. Ihr Vertrauensverhältnis zum Hersteller des Fahrzeuges sei aufgrund der unzulässigen Abschalteinrichtung und der intransparenten Informationspolitik im Rahmen des Abgasskandals nachhaltig gestört. Eine Nacherfüllung durch den Hersteller, durch den sie arglistig getäuscht worden sei, sei ihr deshalb auch unzumutbar, weil schließlich auch er es sei, durch den die Nacherfüllung faktisch zu erbringen sein solle. Schließlich sei ihr eine Nachbesserung auch wegen des merkantilen Minderwertes eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuges nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 34.900 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2017 Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer XXX abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 3.673,77 zu zahlen;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 18.02.2017 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von EUR 1.698,13 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges. Die Tatsache, dass das Fahrzeug mit einer Software ausgestattet sei, die den Stickoxidausstoß im Prüfstand beeinflusse, ändere nichts an Bestand und Wirksamkeit der erteilten EG-Typengenehmigung. Diese sei vom Kraftfahrt-Bundesamt nicht aufgehoben worden. Konkret würden durch die geplanten Maßnahmen die Abgaswerte auf ein erlaubtes Maß reduziert, zugleich ergäben sich infolge dieser Maßnahmen keine negativen Auswirkungen auf Fahrleistungen, Verbrauch und Wert des Fahrzeuges. Wollte man einen Mangel dennoch annehmen, so wäre dieser jedenfalls nicht geeignet, einen Rücktritt zu begründen, so die Ansicht der Beklagten, die in diesem Zusammenhang behauptet, dass die Umsetzung der technischen Maßnahmen zur Umrüstung voraussichtlich weniger als eine Stunde erforderlich sein und der Kostenaufwand unter 1% des von dem Kläger gezahlten Kaufpreises liegen werde. Außerdem meint sie, dass die Klägerin vorab eine Frist zur Nachbesserung hätte setzen müssen, diese sei schon deshalb nicht entbehrlich, weil sie selbst die Klägerin zu keiner Zeit getäuscht habe und etwaige Täuschungen Dritter ihm nicht zuzurechnen seien.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat überwiegend Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises von EUR 34.900,00 nebst zuerkannter Zinsen abzüglich gezogener Nutzungen in Höhe von EUR 5.449,84 Zug-um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeuges (§§ 346 Abs.1, 348 iVm § 437 Nr. 2, 440 S.1, 323 Abs. 1, 2 Nr. 3 BGB). Sie hat ferner Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzuges. Unbegründet ist die Klage allein im Hinblick auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten von
EUR 1.698,13 nebst insoweit geltend gemachter Zinsen.
I.
Die Klägerin ist mit Schreiben vom 07.02.2017 wegen einer Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges wirksam von dem mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zurückgetreten. Das Fahrzeug ist bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet gewesen. Das Fahrzeug erfüllte die EURO-5-Abgasnorm nicht. Damit fehlte ihm jedenfalls eine Beschaffenheit, wie sie bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die ein Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Der Ausstoß von Emissionen und die damit verbundene Einstufung in eine Abgasnorm sind Bestandteil einer solchen Beschaffenheit eines Fahrzeuges (LG Krefeld, Urt. vom 14.09.2016, 2 O 83/16). Ungeachtet der weitgreifenden Dimensionen des Diesel-Abgasskandals in der deutschen Automobilindustrie ist die begründete Erwartungshaltung eines Käufers von der Übereinstimmung zwischen angegebenen und tatsächlich ausgestoßenen Emissionswerten weiterhin berechtigt erwartbarer Marktstandard (LG Münster, Urt. vom 14.03.2016, 11 O 341/15; LG München II, Urt. vom 15.11.2016, 12 O 1482/16). Das Fahrzeug der Klägerin erreicht die angegebenen Emissionswerte indes nur mittels einer unzulässigen Software-Einstellung auf dem Prüfstand, nicht aber im realen Straßenbetrieb. Darin liegt eine für den Käufer nachteilige Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Zwar leugnet die Beklagte die Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges und beruft sich darauf, dass der Motor nicht über eine unzulässige Abschaltvorrichtung des Emisionskontrollsystems verfüge, die im Prüfstandmodus geschaltet worden sei. An der Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges ändert diese Behauptung indes nichts. Denn die Beklagte nimmt selbst auf eine Pressemitteilung der Volkswagen AG Bezug, in der es heißt, dass die betreffenden Fahrzeuge, und so auch das Fahrzeug der Klägerin, die gültigen Abgasnormen nach der Umsetzung der technischen Maßnahmen erfüllt würden, der Ausstoß an NOx damit also soweit reduziert werde, dass die einschlägigen Grenzwerte – im realen Straßenverkehr – eingehalten würden. Damit räumt sie den Mangel der Sache nach sogar ein.
Dem Rücktritt der Klägerin steht nicht entgegen, dass sie der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung nach § 323 Abs. 1 BGB gesetzt hat. Eine Fristsetzung war entbehrlich, § 440 S. 1 Mod. 3 BGB. Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233f.), eine nachhaltige Störung des Vertrauensverhältnisses der Parteien, die Art der Sache und der Zweck, für den der Verbraucher sie benötigt, die Art des Mangels und die Begleitumstände der Nacherfüllung; die Unzumutbarkeit ist allein aus der Perspektive des Käufers, hier der Klägerin, zu beurteilen, eine Interessenabwägung findet nicht statt (vgl. Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, 2014, § 440 Rz. 23f.).Vorliegend ist die Nachbesserung der Klägerin schon allein deshalb nicht zumutbar, weil ihr Vertrauen zum Hersteller berechtigterweise nachhaltig zerstört ist.
Aufgrund der tatsächlich engen Verbindung zwischen der Beklagten als Vertragshändler und VW im Rahmen des selektiven Vertriebssystems strahlt dieser Vertrauensverlust gegenüber dem Hersteller auch auf die Beziehung der Klägerin zur Beklagten aus.
In der Rechtsprechung des Bundegerichtshofes ist es anerkannt, dass einem Käufer die Nachbesserung durch den Verkäufer in der Regel unzumutbar ist, wenn dieser ihn arglistig über den Kaufgegenstand oder bei der Vertragsabwicklung getäuscht hat. Wegen der erwiesenen Unzuverlässigkeit des Verkäufers darf der Käufer von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen (vgl. BGH Urteil vom 10.03.2010, VIII ZR 182/08).Wenn das Fahrzeug mithin direkt von VW an die Klägerin verkauft worden wäre, wäre nach diesen Grundsätzen ohne Weiteres eine Unzumutbarkeit der Nachbesserung anzunehmen. VW hat die Behörden und massenhaft Kunden über die Umweltfreundlichkeit der Motoren des Typs EA 189 und dessen Abgaswerte getäuscht und sich hierdurch Wettbewerbsvorteile verschafft. Dabei ist es belanglos, ob der Vorstand von dem Einsatz der manipulierenden Software wusste, ihn gebilligt oder ihn gar angeordnet hat; denn in jedem Fall ist VW das Handeln der im Unternehmen tätigen Personen zuzurechnen.
Die erwähnte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist vorliegend allerdings nicht unmittelbar anwendbar, weil die Beklagte und nicht VW Verkäufer war, die Beklagte die Klägerin (oder andere Käufer) nicht selbst getäuscht hat und ihr die Täuschung von VW auch nicht im rechtlichen Sinn zuzurechnen ist (so die h.M.; für einer weitergehende Zurechnung von Herstellerverschulden spricht sich mit erheblichen Argumenten Weller NJW 2012, 2312 aus). Dennoch führt die Täuschung durch VW aufgrund der Besonderheiten des Vertriebssystems und der Besonderheiten der Mängelbeseitigung vorliegend zu einer Unzumutbarkeit der Nachbesserung. Entscheidend ist nämlich nicht das unmittelbare arglistige Verhalten, sondern die dadurch erwiesene Unzuverlässigkeit von VW.
Auch wenn das Software-Update von der Beklagten auf das Fahrzeug der Klägerin aufgespielt werden soll, stellt sich dies als bloß untergeordneter Akt der gesamten Nachbesserung dar. Die wesentlichen Nachbesserungsschritte, die Entwicklung der Software, deren Test und die Einholung der Genehmigungen, werden hingegen von VW geleistet, also von demjenigen, der getäuscht und sich dadurch als unzuverlässig erwiesen hat.
Die Beklagte trägt das Risiko, dass die Klägerin den Hersteller VW zu Recht für unzuverlässig hält. Die Klägerin selbst ist dem Hersteller allenfalls durch die Herstellergarantie verbunden; jedenfalls hat sie sich seiner nicht zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient. Das ist bei dem Beklagten entscheidend anders. VW ist in Bezug auf das Software-Update Erfüllungsgehilfe der Beklagten im Sinne von § 278 BGB, weil der Beklagte die Nachbesserung ohne diese allein vom Hersteller zur Verfügung gestellte Software nicht durchführen kann. Sie selbst dürfte wegen des dadurch hervorgerufenen Verlusts der Betriebserlaubnis gar nicht eigenständig nachbessern.
Abgesehen davon hätte die Beklagte ohne VW das Fahrzeug erst gar nicht liefern können und ist für sämtliche Reparatur- und Serviceleistungen in der Zukunft auf VW angewiesen. Das allein zeigt die enge Verbindung zwischen VW als Hersteller und der Beklagten als Verkäuferin. Die Beklagte will als Teil eines selektiven Vertriebssystem beim Verkauf ihrer Fahrzeuge vom guten Ruf des Herstellers profitieren, muss dann aber im Fall des erheblichen Ansehensverlustes des Herstellers und dessen arglistigem Verhalten im Gegenzug hinnehmen, dass der Kunde eine Nachbesserung durch den Hersteller ablehnt. Wegen der Brisanz des Abgasskandals, des im Raum stehenden Vorwurfs eines millionenfachen Betrugs und stets neuen Enthüllungen über das Ausmaß des Skandals ist nachvollziehbar, dass die Klägerin nicht mehr darauf vertraut, dass die Nacherfüllung in ihrem Interesse erfolgt und sie objektiv über alle Umstände und mögliche Folgemängel informiert wird. Aufgrund der faktischen Nähe der Beklagten als Vertragshändlerin zu VW darf die Klägerin die Befürchtung haben, dass die Beklagte eher im Lager des VW-Konzerns steht und dessen wirtschaftliche Interessen verfolgt. Dies umso mehr als die Beklagte den Mangel noch während des Prozesses leugnet und damit offenbar das angekündigte Software-Update als bloße Kulanzmaßnahme hinstellen will.
Die Nachbesserung wird für die Klägerin auch nicht deshalb zumutbar, weil das KBA das Software-Update genehmigt und in dieser Genehmigung vom 20.06.2016 die Grenzwerte für Schadstoffemissionen als eingehalten sowie die Motorleistung als unverändert bezeichnet und die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Verbrauchswerte und CO2-Emissionen bestätigt hat. Die 2. Zivilkammer des Landgerichts führt in ihrer vorbezeichneten Entscheidung hierzu aus, dass es zwar vorstellbar sei, dass die Nachbesserung durch eine an sich unzuverlässige Person einem Käufer deshalb zumutbar werden kann, weil sie unter behördlicher Aufsicht vorgenommen wird. Vorliegend sei die Genehmigung des KBA aber schon nicht zur Vertrauensbildung geeignet, weil das KBA bei der ursprünglichen Typengenehmigung des Wagens versagt habe, indem es die manipulierende Software nicht erkannt habe. Auch später sei das KBA nicht tätig geworden, obwohl es entsprechende Anzeichen gegeben haben müsse, die zu den entsprechenden Untersuchungen in den USA geführt haben. Dieser Bewertung schließt sich auch das erkennende Gericht an.
Nach den Umständen des vorliegenden Falles ist im Rahmen der Interessenabwägung auch nicht von einer nur unerheblichen Pflichtverletzung im Sinne § 323 Abs. 5 S. 2 BGB auszugehen, die einen Rücktritt ausschließen würde (ebenso LG Lüneburg, Urteil vom 02.06.2016 – 4 O 3/16; a.A. 16; LG Bochum, Urt. vom 16.03.2016, 2 O 425/15).
Die Frage, wann von einer Unterschreitung der Erheblichkeitsschwelle im Sinne dieser Vorschrift auszugehen ist, bedarf einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei die Bedeutung des Mangels in der Verkehrsanschauung und alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen sind (vgl. BGH Urt. vom 15.06.2011. VIII ZR 139/09). Für die Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (BGH aaO Rz. 9). Insbesondere sind dabei der für die Mangelbeseitigung erforderliche Aufwand, die Qualität des Vertragsgegenstandes, die Anzahl der Mängel, die Auswirkung auf die beeinträchtigte Leistung und die für die Kaufentscheidung maßgeblichen Kriterien heranzuziehen (vgl. Beck’scher Online-Kommentar BGB-Schmidt, Stand 01.08.2016, § 323 Rdn. 39).
Dabei stellt der Bundegerichtshof unter anderem auf die Kosten der Mangelbeseitigung ab; danach ist im Rahmen der nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmenden Interessenabwägung von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel dann nicht mehr auszugehen, wenn der Mangelbeseitigungsaufwand mehr als 5 % des Kaufpreises beträgt (vgl. Urteil v. 28.05.2014, VIII 94/13). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen starren Grenzwert. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass die Bestimmung der Erheblichkeitsgrenze unter Heranziehung der Mängelbeseitigungskosten bei einem Prozentsatzes von 5 % des Kaufpreises nur in der Regel gilt (vgl. Urteil v. 28.05.2014, VIII ZR 94/13, Rz. 38). Demnach ist also weiterhin eine flexible und den Umständen des Einzelfalles gerecht werdende Handhabung der Erheblichkeitsschwelle angezeigt. Eine schematische Betrachtung verbietet sich.
Im Rahmen der Interessenabwägung sind aus Sicht der Beklagten als Verkäuferin die Relation von Kaufpreis und Kosten der Nachbesserung sowie der Zeitaufwand der Nachbesserung zu berücksichtigen. Die Kosten des 30-minütigen Software-Updates samt Arbeitskosten belaufen sich nach Behauptung der Beklagten auf ca. 100,00 €. Das Verhältnis zum Kaufpreis betrüge demnach weniger als 1%.
Dagegen muss aus der Sicht der Klägerin im Rahmen der Interessenabwägung beachtet werden, wie schwer sie der Mangel trifft und was die Nacherfüllung für sie konkret bedeutet. Hier spielt für die Klägerin eine entscheidende Rolle, dass sie auf die Nacherfüllung praktisch nicht verzichten können würde, sie vielmehr im Rahmen der mit dem KBA ausgearbeiteten Rückrufaktion des Herstellers dazu verpflichtet sein würde, sie ohne den Rücktritt also faktisch zur einer Nachbesserung gezwungen sein würde, die ihr an und für sich unzumutbar ist. Allein der Umstand, dass die Zulassung des Fahrzeuges ohne die Nachbesserung gefährdet ist, nimmt dem Mangel den Anschein der Unerheblichkeit (vgl. auch LG München, Urt. vom 14.04.2016 – 23 O 23033/15).
Die Annahme der Mangel sei trotz geringer Nachbesserungskosten unerheblich spricht aber entscheidend auch, dass es im Zeitpunkt des Rücktritts nicht auszuschließen war, dass der Sachmangel einen merkantilen Minderwert verursacht, weil sich der mit dem Abgasskandal verbundene erhebliche Imageverlust von VW bei der Preisbildung auf dem Gebrauchtwagenmarkt niederschlägt. Selbst zum heutigen Zeitpunkt ist dies noch nicht endgültig absehbar, weil noch nicht alle Motoren über die neue Software verfügen und von unabhängigen Fachleuten noch nicht auf negative Veränderungen geprüft wurden. Außerdem dürften Fahrzeuge mit nachgebesserten Motoren noch nicht in aussagekräftiger Zahl auf dem Gebrauchtwagenmarkt zu finden sein. Schließlich ist zu bedenken, dass der Vertrauensverlust, der die konkrete Nachbesserung mit dem Software-Update unzumutbar macht, auch Auswirkungen auf das zukünftige Vertrauen in das Fahrzeug zeigt. Ein Autokauf ist zwar zunächst ein zeitlich begrenzter Leistungsaustausch und kein Dauerschuldverhältnis. Ein Auto ist aber ein langlebiges, hochwertiges Wirtschaftsgut, das im Laufe seiner Nutzung ständig gepflegt, gewartet und repariert werden muss. Hierzu bedarf es der ständigen Leistung des Herstellers, weil dieser Wartungsintervalle und -maßnahmen vorgibt und die Ersatzteile produziert. Das erfordert ebenfalls ein gewisses Vertrauen in dessen Zuverlässigkeit, das durch das arglistige Handeln von VW gestört ist.
Aufgrund des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 Abs.1 BGB die empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Die Beklagte hat den Kaufpreis zu erstatten und erhält neben dem Wagen auch die durch Fahrleistung eingetretene Wertminderung des Kraftfahrzeuges ersetzt § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Auf den zurückzuerstattenden Kaufpreis in Höhe von EUR 34.900,00 hat sich die Klägerin deshalb eine Nutzungsentschädigung anrechnen zu lassen. Das Fahrzeug wies im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine Laufleistung von 67.469 km auf. Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges auf mindestens 250.000 km (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2008, 1199). Für den Gebrauchsvorteil (Bruttokaufpreis x gefahrene KM ÷ Gesamtlaufleistung) muss der Kläger daher einen Nutzungsersatz von EUR 5.449,84 leisten. Mithin besteht ein Anspruch auf Zahlung i.H.v.
EUR 29.450,16 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Kraftfahrzeuges.
II.
Der insoweit zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.
III.
Ferner hat die Klägerin Anspruch auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten. Diese war wegen der verweigerten Rückgabe und Rückübereignung des streitgegenständlichen Kfz gem. §§ 298,293 BGB in Verzug. Die Klägerin hat der Beklagten mit Schreiben vom 07.02.2017 unter Fristsetzung bis zum 17.02.2017 den Pkw ordnungsgemäß abholbereit angeboten. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klägerin besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist.
IV.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.564,26 € als Verzugsschaden nach §§ 286, 288 BGB nicht zu. Das Anwaltsschreiben vom 08.03.2017 hat den Verzug der Beklagten erst begründet. Eine andere Anspruchsgrundlage ist nicht ersichtlich.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Streitwert: EUR 34.900,00.