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Neufahrzeugbestellung – gerichtliche Schätzung eines Schadensersatzes statt der Leistung

OLG München – Az.: 19 U 742/18 – Beschluss vom 03.07.2018

Gründe

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 02.02.2018, Az.: 12 O 13461/15 gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Die sorgfältig und ausführlich begründete Entscheidung des Landgerichts erweist sich als zutreffend. Die von der Berufung erhobenen Einwendungen greifen nicht.

1. Der Berufung ist kein Erfolg beschieden, soweit sie einwendet, zwischen den Parteien sei kein Kaufvertrag zustande gekommen, da die Parteien zum Zeitpunkt 03.09./10.09.2014 über wesentliche Vertragsbestandteile, nämlich über die Ausstattungsmerkmale des zu liefernden Fahrzeugs und den konkreten Kaufpreis, noch keine Vereinbarung getroffen hätten (BB Seite 2).

Zutreffend stellte das Landgericht, auf dessen Ausführungen verwiesen wird, fest, dass in der „verbindlichen Ferrari-Neufahrzeugbestellung“ des Klägers alle wesentlichen Vertragsinhalte, die essentialia negotii, eines Kaufvertrages, enthalten waren (LGU Seite 12f).

Dass die Konfiguration, d.h. die Bestimmung der Sonderausstattung, erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden sollte, führt nicht dazu, dass der Kaufgegenstand nicht hinreichend bestimmt ist (BB Seite 2). Vielmehr ist es das typische Merkmal eines Spezifikationskaufs im Sinne von § 375 HGB, dass dem Käufer einer beweglichen Sache die Bestimmung über Form, Maß oder ähnliche Verhältnisse überlassen wird.

Der sachliche Anwendungsbereich des § 375 HGB ist eröffnet. Voraussetzung ist, dass zumindest eine der Vertragsparteien Kaufmann ist (MüKoHGB/Grunewald,4.Aufl.2018,HGB§375Rn.4;Baumbach/Hopt/Hopt,38.Aufl.2018,HGB§375Rn.1). Dies ist jedenfalls beider Beklagten als Handelsgesellschaft der Fall (§ 6 HGB).

Die Bestimmung der Sonderausstattung wurde dem Kläger überlassen, welcher diese auch vornahm, wie der Zeuge … bestätigte. Dieser gab an, der Kläger habe die Konfiguration gemacht und er habe die Sonderausstattungswünsche des Klägers dann in Anlage K 4 zusammenfasst (vgl. Protokoll vom 21.06.2016, Seite 4).

Unter § 375 HGB fallen alle Fälle, in denen die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes teilweise offengelassen wurde, wie etwa Farbe, Dichte, Bearbeitungsweise, Güteklasse, Größe, Menge und ähnliches (MüKoHGB/Grunewald,4.Aufl.2018,HGB§375Rn.7)und damit auch die Bestimmung der Sonderausstattung eines Fahrzeuges.

Der Kaufpreis ist mit der Bezugnahme auf den zum Zeitpunkt der Auslieferung geltenden Listenpreis hinreichend bestimmt.

Darauf, ob eine nicht vorgenommene Konfiguration zu einem Erwerb eines Fahrzeug in der Grundausstattung führt (so LGU Seite 12), oder ob der Beklagten bei Verzug des Klägers mit der Bestimmung das Recht zu Selbstspezifikation bzw. Schadensersatz statt Leistung bzw. ein Recht zum Rücktritt zugestanden hätte (Baumbach/Hopt/Hopt, 38. Aufl. 2018, HGB § 375 Rn. 1), kommt es daher nicht an.

Neufahrzeugbestellung - gerichtliche Schätzung eines Schadensersatzes statt der Leistung
(Symbolfoto: 89stocker /Shutterstock.com)

2. Die Ausführungen der Berufung, das Zustandekommen eines Kaufvertrags scheitere an der inhaltlich abweichenden Auftragsbestätigung der Beklagten vom 25.11.2014, gehen ins Leere (BB Seite 4).

Mit der Auswahl der Sonderausstattung durch den Kläger nahm dieser sein Bestimmungsrecht wahr. Bei der Mitteilung der gewählten Sonderausstattung an die Beklagte handelt es sich daher um kein neues Angebot des Klägers, welches von der Beklagten angenommen werden hätte müssen. Die Bestätigung der Beklagten betreffend die vom Kläger gewählte Sonderausstattung (Schreiben vom 25.11.2014, vorgelegt als Anlage K 6) kann daher auch nicht als Annahme im Sinne von § 147 BGB verstanden werden, es handelt sich vielmehr lediglich um eine Bestätigung der erfolgten Bestimmung des Klägers.

Soweit die Beklagte im Schreiben vom 25.11.2014 (Anlage K 6) um Bestätigung des Klägers bittet, dass die Lieferung seitens Ferrari um bis zu 2 Quartale abweichen kann, würde es sich, wenn es sich um einen vom Kaufvertrag abweichenden Liefertermin handeln würde, um ein neues Angebot der Beklagten handeln, welches jedoch vom Kläger nicht angenommen wurde. Letztendlich kommt es darauf aber nicht an, da in der verbindlichen Bestellung des Klägers (vgl. Anlage K 1) die Abweichung des Liefertermins um bis zu 2 Quartale bereits geregelt war mit den Ausführungen: Vom Käufer gewünschtes Lieferquartal (für den Verkäufer unverbindlich mit Abweichungen von 2 Quartalen).

3. Soweit die Beklagte der Ansicht ist, sie sei berechtigt, wegen eines Selbstbelieferungsvorbehalts aus dem Schreiben vom 27.8.2014 und der nicht erfolgten Lieferung zurückzutreten, ist ihr kein Erfolg beschieden.

Die Email vom 27.8.2014 (Anlage B 1) lautet auszugsweise: (…) wie mit Ihnen besprochen, könnten wir im 1ten Quartal 2015 einen 458 Spider Speciale liefern, wenn Sie nächste Woche bestellen. Diese Aussage unsererseits gilt nur, wenn sich der Hersteller (Ferrari) an seine Lieferallocation hält bzw. liefern kann!

Selbst wenn damit ein Selbstbelieferungsvorbehalt der Beklagten durch Ferrrari Italien zum Ausdruck kommen sollte und nicht lediglich die Mitteilung, dass trotz einer Bestellung binnen einer Woche die Einhaltung des Liefertermins im ersten Quartal von der fristgerechten Lieferung durch Ferrari abhängt, hätte dieser Selbstbelieferungsvorbehalt keinen Eingang in den nachfolgenden Kaufvertrag gefunden. Es wird weder in der verbindlichen Bestellung (Anlage K 1) noch in der Auftragsbestätigung (Anlage K 3) darauf Bezug genommen noch wird dieser Selbstbelieferungsvorbehalt wiederholt.

Vielmehr vereinbarten die Parteien das auf Seite 1 der verbindlichen Bestellung enthaltene Rücktrittsrecht ( vgl. dazu unten 4).

Darüberhinaus lägen die Voraussetzungen eines Selbstbelieferungsvorbehalts, bei deren Vorliegen sich die Beklagte vom Vertrag lösen könnte, nicht vor.

Ein Selbstbelieferungsvorbehalt besagt, dass der Anbietende dann frei werden soll, wenn er zwar ein angemessenes Deckungsgeschäft abgeschlossen hat, doch von seinem Lieferanten im Stich gelassen wurde (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 22.03.1995 – VIII ZR 98/94; BGH, Urteil vom 14.11.1984 – VIII ZR 283/83; BeckOGK/Fehrenbach BGB, § 307 Rn. 36 – 41).Nur dann kann aus der Vereinbarung eines Selbstbelieferungsvorbehalts ggfs. die Vereinbarung eines Rücktrittsrechts bzw. einer auflösenden Bedingung geschlossen werden.

Dass die Beklagte bei Ferrari Italien ein entsprechendes Deckungsgeschäft abgeschlossen hatte bzw. eine entsprechende Lieferzusage durch Ferrari Italien vorlag, trägt sie hingegen nicht einmal vor.

4. Ein Recht zum Rücktritt ergibt sich für die Beklagte auch nicht aus dem im Kaufvertrag vereinbarten Rücktrittsrecht. Der Berufung ist auch insoweit kein Erfolg beschieden (BB Seite 5).

Die „verbindliche Ferrari-Neufahrzeugbestellung“ (Anlage K 1) enthält zum Rücktrittsrecht folgende Regelung:

„Für diesen Fall räumt der Käufer dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht von dem durch Annahme der Bestellung zustande gekommenen Kaufvertrag ein, falls der Verkäufer trotz der Lieferbestätigung der Ferrari Deutschland GmbH mit dem von ihm bestellten Fahrzeug nicht beliefert wird (Selbstbelieferungsvorbehalt).“

Unabhängig davon, ob diese Vereinbarung wirksam ist, liegen bereits die Voraussetzungen eines Rücktritts aufgrund dieser Vereinbarung nicht vor. Der Beklagten lag unstreitig zu keinem Zeitpunkt eine Lieferbestätigung der Ferrari Deutschland GmbH vor, so dass bereits deshalb keine Berechtigung zum Rücktritt gegeben war.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob der Kläger Verbraucher ist und ob die Klausel wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 3, 8 BGB unwirksam ist.

5. Die Berufung greift auch nicht, soweit sie der Ansicht ist, die Höhe des Schadens sei von dem Erstgericht nicht zutreffend festgestellt worden (BB Seite 6f). Die Berufung stützt sich lediglich darauf, dass dem Sachverständigen und auch dem Erstgericht keine Kaufverträge vorgelegen hätten, sondern lediglich Kaufangebote, und meint, dass sich auf diese Weise der Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht zutreffend feststellen lasse. Unangegriffen bleiben hingegen die Feststellungen des Erstgerichts, dass Ferrari-Vertragshändler die Preissteigerungen im maßgeblichen Zeitraum bestätigt hatten.

Die Berufung verkennt, dass das Erstgericht die Höhe des Schadens gemäß § 287 ZPO geschätzt hat, gerade weil es keinerlei feststellbare Verkäufe gab, und sich dabei sowohl auf die als Anlagenkonvolute K 23 und K 24 vorgelegten Verkaufsangebote als auch auf die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen … stützte. Auf die Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen (LGU Seite 25ff).

Die Art der Schätzungsgrundlage gibt § 287 ZPO nicht vor. Die Schadenshöhe darf lediglich nicht auf der Grundlage falscher oder offenbar unsachlicher Erwägungen festgesetzt werden und ferner dürfen wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen nicht außer Acht bleiben. Auch darf das Gericht in für die Streitentscheidung zentralen Fragen auf nach Sachlage unerlässliche fachliche Erkenntnisse nicht verzichten (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 18. 5. 2010 – VI ZR 293/08; BGH, Urt. v. 12. 4. 2011 − VI ZR 300/09).

Diesen Anforderungen genügt die vom Erstgericht nach Erholung von Sachverständigengutachten vorgenommene Schadensschätzung.

Das Erstgericht hat nicht nur Verkaufsangebote seiner Schätzung zugrunde gelegt, sondern deren Angebotspreise zudem durch die Aussagen von Ferrari-Vertragshändlern bestätigt gesehen. Diese hatten angegeben, dass bereits Anfang 2015 der Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps doppelt so hoch wie der Listenneupreis gewesen sei. Zutreffend hat das Erstgericht zudem entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen 3 Angebote, welche von dem Preisrahmen zwischen 580.000,00 € und 690.000,00 € nach oben abwichen, nicht berücksichtigt.

Allein daraus, dass die Beklagte ein einziges undatiertes Verkaufsangebot (Anlage B 14) vorlegt, das einen Preis von 410.000,00 € ausweist, lässt sich nicht schließen, dass dieses den tatsächlichen Verkehrswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs widerspiegelt. Vielmehr konnte dieses Angebot bei der Ermittlung des Verkehrswertes, ebenso wie die Ausreißer nach oben, unberücksichtigt bleiben, zumal der Berufung nicht entnehmen ist, dass das angebotene Fahrzeug eine vergleichbare werterhöhende Sonderausstattung aufwies.

II. Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme vor Eingang der Berufungsbegründung bei Gericht ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 1,0 Gebühren (vgl. Nr. 1221 des Kostenverzeichnisses zum GKG) und nach deren Eingang von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

III. Zu diesen Hinweisen kann der Berufungsführer binnen 3 Wochen ab Zugang Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal weitere 3 Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock, OLGR 2004, 127 ff.). Eine Fristverlängerung um insgesamt mehr als einen Monat ist daneben entsprechend § 520 II 3 ZPO nur mit Zustimmung des Gegners möglich.

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