Kammergericht Berlin, Az.: 23 U 246/13, Beschluss vom 16.06.2014
Leitsatz – nicht amtlich: Bei Gebrauchtwagen ist es normal, wenn sich nicht mehr alle Fahrzeugteile im Originalzustand befinden. Wenn der Gebrauchtwagen ganz oder teilweise mit einer neuen Lackierung versehen worden ist, begründet dies keinen Fahrzeugmangel. Aufgrund einer üblichen bzw. normalen Fahrzeugnachlackierung kann man daher nicht von einem geschlossenen Gebrauchtwagenkaufvertrag zurücktreten.
In dem Rechtsstreit beabsichtigt das Berufungsgericht, die Berufung der Klägerin gegen das am 24.10.2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen.
Die Sache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung und erfordert weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Der Senat ist einstimmig der Überzeugung, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht mit der Begründung abgewiesen, dass der Klägerin wegen unterlassener Fristsetzung kein Rücktrittsrecht zusteht.
1. Die Erforderlichkeit einer Fristsetzung ergibt sich aus den §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB. Gemäß § 323 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger erst vom Vertrag zurücktreten, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat.
Die Klägerin hat der Beklagten weder vor ihrer Rücktrittserklärung vom 04.10.2012 (K 9) noch vor der Rücktrittserklärung vom 10.12.2012 (K 12) eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt. Die E-Mail des Geschäftsführers der Klägerin vom 06.03.2012 (K 8) enthält keine Fristsetzung; die jetzt behaupteten Mängel werden darin nicht einmal erwähnt. In dem Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 02.11.2012 (K 10) hat die Klägerin die Beklagten nicht zur Nacherfüllung aufgefordert, sondern ihr im Gegenteil Reparaturmaßnahmen ausdrücklich untersagt. Auf das Angebot der Beklagten vom 05.11.2012 (K 11), die behaupteten Mängel unentgeltlich zu beseitigen, ist die Klägerin nicht eingegangen. Sie hat vielmehr mit Schreiben vom 10.12.2012 (K 12) nur erneut den Rücktritt erklärt.
2. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass eine Fristsetzung im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen sei, weil die Beklagte ihr einen Unfallschaden verschwiegen habe. Diese Argumentation kann sich von vornherein nur auf die beanstandete Nachlackierung der linken Fahrzeugseite beziehen. Soweit ein Mangel des Motors gerügt wird, versagt das Argument. Hinsichtlich der Nachlackierung ist das Vorbringen der Klägerin im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend; es reicht aber in tatsächlicher Hinsicht nicht zur Feststellung eines Unfallschadens aus.
a) Wenn eine Beseitigung des Mangels der Natur der Sache nach ausgeschlossen ist (§ 323 Abs. 5 BGB), ist eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung entbehrlich. Beim Kauf von Gebrauchtwagen ist dies insbesondere der Fall, wenn das Fahrzeug einen vor Abschluss des Kaufvertrags nicht offenbarten Unfallschaden hat, der nicht als Bagatellschaden zu qualifizieren ist. Als „Bagatellschäden“ sind bei Personenkraftwagen nur ganz geringfügige, äußere (Lack-)Schäden anzusehen, nicht dagegen andere (Blech-) Schäden, auch wenn sie keine weitergehenden Folgen hatten und der Reparaturaufwand nur gering ist (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 10. Oktober 2007 – VIII ZR 330/06; Urteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05).
b) Die Nachlackierung der linken Seitenwand mit einer Schichtstärke von 0,16 mm, die der von der Klägerin beauftragte Sachverständige dokumentiert hat (Anlage K 6), diente offensichtlich nicht der Beseitigung eines Blechschadens, sondern der Beseitigung oberflächlicher Lackschäden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Fall, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2007 – VIII ZR 330/06 – zu Grunde lag. Dort war nach den Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass der PKW mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen streifenden Anstoß gegen die Tür links und das Seitenteil links erhalten hatte, wobei Tür und Seitenteil eingebeult und die Einbeulung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ursprünglich tiefer als die bis zu 5 mm starke Schichtstärke des Spachtelauftrags war. Bei diesem Befund war die Annahme eines erheblichen Unfallschadens gerechtfertigt. Bei der hier vorliegenden bloßen Neulackierung ohne Spachtelauftrag und mit einer Schichtstärkenerhöhung von 0,16 mm ist sie es nicht. Denn bei Gebrauchtfahrzeugen gehört es nicht ohne Weiteres zur üblichen Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, dass sich alle Fahrzeugteile noch im Originalzustand befinden. Wenn das Fahrzeug ganz oder teilweise mit einer neuen Lackierung versehen worden ist, begründet das keinen Mangel (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2009 – VIII ZR 191/07).
Auch die vom Sachverständigen in einem Umkreis von 5 cm festgestellte punktuelle Erhöhung der Schichtstärke auf bis zu 1,5 mm deutet nicht auf einen erheblichen Unfallschaden hin. Die für die Beseitigung des dort möglicherweise vorhanden gewesenen Lackschadens erforderlichen Kosten sind nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten auch so gering zu veranschlagen, dass von einem Bagatellschaden zu reden wäre.
Für eine weitere Begutachtung des Fahrzeugs durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen besteht kein Anlass. Selbst wenn eine weitere Untersuchung ergäbe, dass die durch die Neulackierung beseitigten Lackschäden auf einem Unfall beruhen, bliebe es dabei, dass lediglich Bagatellschäden vorlagen, die einen Rücktritt nicht rechtfertigen können.
Soweit der Sachverständige eine nicht fachgerechte Ausführung der Nachlackierung beanstandet, handelt es sich um einen behebbaren Mangel, der ohne Fristsetzung nicht zum Rücktritt berechtigt.
3. Sonstige besondere Gründe, die eine Fristsetzung entbehrlich machten (§§ 323 Abs. 2 BGB, 440 BGB), sind nicht erkennbar und werden von der Klägerin auch nicht behauptet.
Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gebühr für die Berufung im Falle der Berufungsrücknahme gemäß Nr. 1222 der Anlage 1 zum GKG von 4,0 auf 2,0 ermäßigt.
Kammergericht, Az.: 23 U 246/13, Beschluss vom 30.07.2014
In dem Rechtsstreit hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts beschlossen:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.10.2013 verkündete Urteil der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.
Das Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 95.720,63 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Rückabwicklung eines Gebrauchtwagenkaufvertrags sowie Schadensersatz wegen Nutzungsausfalls.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.10.2013 abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin der Beklagten keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. Gegen das ihr am 28.10.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.11.2013 Berufung eingelegt und diese am 19.12.2013 begründet.
Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und die verfahrensfehlerhafte Unterlassung einer Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten. Sie vertritt die Ansicht, dass sowohl der bei Übergabe des Fahrzeugs vorliegende Unfallschaden am Seitenschweller als auch der Motorschaden einen erheblichen Mangel darstelle, der zum sofortigen Rücktritt berechtige.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und
1) die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.741,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.10.2012 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer
2) festzustellen, dass sich die Beklagte spätestens seit dem 19.10.2012 mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug befindet,
3) die Beklagte zu verurteilen, sie von der verbleibenden Forderung von 20.645,16 EUR (Stichtag 28.02.2013) aus dem Darlehensvertrag Nr. mit der Bank, , freizustellen,
4) die Beklagte zu verurteilen, an sie 189,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 19.10.2012 zu zahlen,
5) die Beklagte zu verurteilen, an sie 9.945,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit zu zahlen
6) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den ab dem 01.03.2013 eintretenden Nutzungsausfallschaden, welcher täglich 65,00 EUR beträgt, zu erstatten,
7) die Beklagte zu verurteilen, sie von der Forderung der Sachverständigenkosten in Höhe von 259,42 EUR durch Zahlung an die, freizustellen,
8) die Beklagte zu verurteilen, sie von der Forderung nach den vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 970,33 EUR durch Zahlung an die, freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 II ZPO zurückzuweisen, da die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder zur Rechtsfortbildung noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Urteil des Berufungsgerichts erfordert, eine mündliche Verhandlung nicht geboten und das Berufungsgericht einstimmig der Überzeugung ist, dass das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.
Zur Begründung wird auf die mit Beschluss vom 16.06.2014 erteilten Hinweise Bezug genommen, denen die Klägerin nicht mehr entgegengetreten ist.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 I, 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO.
Hinsichtlich des Streitwerts wird auf die Aufschlüsselung in dem vorläufigen Beschluss vom 12.06.2014 verwiesen.