LG Frankenthal, Az.: 7 O 498/16, Urteil vom 13.07.2017
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheit, die den beizutreibenden Betrag um 20 % übersteigt, vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger hatte mit verbindlicher Bestellung vom 10.01.2013 bei der Beklagten einen Audi A4 Avant Ambition 2.0 TDI bestellt. Die Beklagte hat dieses Fahrzeug am 06.03.2013 ausgeliefert und am gleichen Tag einen Kaufpreis von 42.658,18 € in Rechnung gestellt. Der Kläger hat diese Rechnung ausgeglichen. Das Fahrzeug (Audi Fahrzeuggeneration „B 8“; interne Bezeichnung: „Typ 8k“) ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 EU5 ausgerüstet. Diese Modellreihe wird seit April 2013 nicht mehr hergestellt und wurde durch die aktuelle Modellreihe mit der internen Bezeichnung „Typ 8w“ abgelöst. Nach Bekanntwerden des sog. „VW-Abgasskandals“ begehrt der Kläger nunmehr die Verurteilung der Beklagten zur Nachlieferung eines mangelfreien fabrikneuen typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion. Das Kraftfahrtbundesamt hatte mit Wirkung vom 11.07.2016 eine technische Lösung zur Überarbeitung des streitgegenständlichen Fahrzeugs freigegeben.
Der Kläger vertritt die Auffassung, das streitgegenständliche Fahrzeug sei mangelhaft. Die Einhaltung der Schadstoffnorm Euro 5 sei vertraglich vereinbart worden. Die hier festgelegten Grenzwerte würden überschritten, so dass der uneingeschränkte Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet sei. Ein Sachmangel läge auch vor aufgrund fehlender oder unzureichend vorhandener Eigenschaften, die er aufgrund öffentlicher Äußerungen des Herstellers habe erwarten können. Weil das Fahrzeug mit einer Abschalteinrichtung versehen sei, fehle auch eine übliche Beschaffenheit. Er könne deshalb Nacherfüllung verlangen. Die begehrte Nachlieferung sei der Beklagten weder unmöglich noch sei sein Verlangen unverhältnismäßig. Auf eine Nachbesserungsmöglichkeit brauche er sich nicht verweisen zu lassen; eine solche sei unmöglich bzw. wegen zu befürchtenden Nachteilen unzumutbar. Hinzu käme, dass auch beim Dieselverbrauch bzw. dem CO2-Wert unzutreffende Angabe gemacht worden seien. Infolgedessen habe die Beklagte ihn auch von den vorprozessualen Anwaltskosten freizustellen.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagtenpartei zu verurteilen, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Audi A4 2,0 I TDI, FIN: … Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeuges Audi A4 2,0 I TDI. FIN: … nachzuliefern;
2. festzustellen, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuges in Verzug befindet.
3. die Beklagtenpartei zu verurteilen, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.613,24 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie vertritt die Auffassung, dem Kläger stehe kein Anspruch auf Nachlieferung zu. Das streitgegenständliche Fahrzeug sei nicht mangelbehaftet. Die verlangte Nachlieferung sei auch unmöglich bzw. unverhältnismäßig. Dem Kläger sei das Zuwarten auf die technische Umrüstung zumutbar.
Auf die Schriftsätze der Parteien nebst den zu den Akten gereichten Anlagen wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann die begehrte Rechtsfolge – Lieferung eines typengleichen, fabrikneuen Ersatzfahrzeug für sein bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung etwa 3 ¾ Jahre offenbar ohne wesentliche Einschränkungen genutztes Fahrzeug – weder nach §§ 437Nr. 1, 434,439 BGB noch aufgrund einer Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz (§§ 311, 241 Abs. 2 BGB) verlangen. Andere Anspruchsgrundlagen zugunsten des Klägers sind nicht ersichtlich. Insbesondere legt er nicht dar, die beklagte Fahrzeughändlerin habe ihn im Jahr 2013 arglistig getäuscht.
Dabei kann zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig vom sog. „VW-Abgasskandal“ betroffen ist, also mit einer Software ausgestattet ist, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipuliert und es die geltenden Abgasgrenzen deshalb nur scheinbar einhält, als Fahrzeugmangel anzusehen ist (vgl. hierzu auch LG Frankenthal/Pfalz, Urteil vom 12.05.2016, Az. 8 O 208/15, juris, Tz. 21 m.w.N.) und er deshalb grundsätzlich nach seiner Wahl Nachbesserung oder Nachlieferung verlangen kann. Bei dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug handelt es sich indes unstreitig um einen Audi A4 der Fahrzeuggeneration B8 (interne Bezeichnung „Typ 8K“), die seit April 2013 nicht mehr hergestellt wird und durch die Generation B9 (Baureihe „Typ 8W“) abgelöst wurde. Die Fahrzeuge der neuen Generation sind insbesondere mit einem Aggregat ausgestattet, das die Grenzwerte der Abgasnorm Euro 6 einhält. Nach Auffassung der Kammer (vgl. hierzu etwa die Urteile vom 01.06.2017, 7 O 478/16 und 7 O 450/16) ist deshalb die Lieferung eines Neufahrzeugs der Beklagten gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich (so auch etwa LG Kempten, Urteil vom 29.03.2017, 13 O 808/16, juris; LG Darmstadt, Urteil vom 27.03.2017, 13 O 543/16, juris; LG Bayreuth, Urteil vom 04.01.2017, Az.: 21 O 34/16)
Im Einzelnen gilt (wie etwa von LG Kempten, a.a.O., Tz. 52 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen ausgeführt):
Der Nachlieferungsanspruch stellt einen modifizierten Erfüllungsanspruch dar (Palandt/Weidenkaff, BGB, 76.A., § 439, Rn. 1; OLG München NJW 2006, 449, 450) und kann damit nicht weiter reichen, als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. Bei der Lieferung einer mangelfreien Sache decken sich, wie schon aus der gesetzlichen Formulierung hervorgeht, der Nacherfüllungsanspruch und der ursprüngliche Erfüllungsanspruch hinsichtlich der vom Verkäufer geschuldeten Leistungen; es ist lediglich an Stelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie – im Übrigen aber gleichartige und gleichwertige – Sache zu liefern. Die Lieferung eines Neufahrzeugs ist eine (individualisierte) Gattungsschuld. Die Ersatzlieferung erfordert daher eine vollständige Wiederholung der Leistungen, zu denen der Verkäufer nach § 433 Abs.1und 2 BGB verpflichtet ist; der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums an einer mangelfreien Sache. Denn mit der Nacherfüllung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption lediglich eine nachträgliche Erfüllung der Verkäuferpflichten aus § 433 Abs. 1 BGB durchgesetzt werden; der Käufer soll mit der Nacherfüllung das erhalten, was er vertraglich zu beanspruchen hat (BT-Dr 14/6040, S. 221; BGHZ 162, 219 [227] = NJW 2005, 1348, BGH, NJW 2008, 2837, beck-online). Ein möglicher Nachlieferungsanspruch des Klägers muss damit eine gleichwertige und gleichartige Sache zum Gegenstand haben.
Da – wie festgestellt – die gesamte Gattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs untergegangen ist, ist eine Neulieferung für die Beklagte unmöglich im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB. Hieraus folgt, dass die Beklagte von der Verpflichtung zur Nachlieferung befreit ist.
Auch aus auf Schadensersatz gerichteten Anspruchsgrundlagen kommt eine Verurteilung der Beklagten zur Lieferung eines fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs nicht in Betracht. Rechtsfolge eines Schadensersatzanspruchs wäre allenfalls, dass der Kläger so zu stellen wäre, wie er stünde, hätte die Beklagte im Jahr 2013 ihre Pflichten nicht verletzt. Auch wenn eine Pflichtverletzung unterstellt wird, hätte der Kläger jedenfalls kein Fahrzeug der heutigen Generation erworben.
Die Klage war damit mit den auf §§ 91, 709 ZPO beruhenden Nebenentscheidungen abzuweisen.