LG Berlin, Az.: 33 O 405/14, Urteil vom 08.09.2016
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger als Käufer und ein Vertreter der Beklagten als Verkäuferin einigten sich unter dem 22.5.2014 schriftlich auf einem handschriftlich ausgefüllten Vordruck (Anlage K1) über den Abschluss eines Kaufvertrags über das Gebrauchtfahrzeug „VW Golf 7 Variant 1,4 TSI 7 DSG“ mit einem Kilometerstand von 9.800 und einer in „11/2013“ erfolgten Erstzulassung zu einem Preis von 22.950,00 € zuzüglich eines Entgelts in Höhe von 370,00 € für den Anbau einer Anhängerkupplung.
Die Beklagte teilte dann dem Kläger ihre Bankverbindung mit.
Unter Bezugnahme auf den „Vertrag v. 22.5.14“ und unter Hinweis darauf, das Fahrzeug zum 11.7.2014 zu erwarten, teilte der Kläger der Beklagten mit, den Kaufpreis am 9.7.2014 überwiesen zu haben (Anlage K7). Tatsächlich allerdings hatte der Kläger am 9.7.2014 erfolglos versucht, den Betrag von 23.300,00 € über die Berliner Sparkasse an die Beklagte zu überweisen (Anlage K10).
Am 11.7.2014 übergab die Beklagte dem Kläger den gebrauchten PKW VW Golf VII 2.1 TSI Variant mit der …. Dieses Fahrzeug war durch die Beklagte bereits am Tag zuvor nach den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen auf den Kläger zugelassen worden. In der Zulassungsbescheinigung Teil II war als vorherige Halterin die … ausgewiesen. Noch am 11.7.2014 beanstandete der Kläger gegenüber der Beklagten das Fehlen einer Netztrennwand und wies auf seine Verwunderung darüber hin, dass nach der TÜV-Prüfplakette „der nächste Termin mit 11.2014 angegeben“ sei (Anlage K4).
Am 15.7.2014 zahlte der Kläger den Betrag von 23.300,00 € bar an die Beklagte (Anlagen K3, B2).
Mit Schreiben an die Beklagte vom 17.7.2014 beanstandete der Kläger, dass „die Daten des übergebenen Fahrzeuges nicht mit den vertraglich zugesicherten Eigenschaften übereinstimmen“ und forderte unter Fristsetzung „die Übergabe eines Fahrzeuges, welches dem Vertragsgegenstand entspricht“ (Anlage K5). Hierauf und auf das anwaltliche Schreiben des Klägers vom 28.7.2014 (Anlage K6) antwortete die Beklagte nicht.
Während des vorliegenden Rechtsstreits erklärte der Kläger mit weiteren anwaltlichen Schreiben vom 13.4., 17.9. und 2015 (Anlage K11, K14, K15) gegenüber der Beklagten den Rücktritt von dem am 22.5.2014 und hilfsweise von dem am 11.7.2014 geschlossenen Kaufvertrag; außerdem erklärte er hilfsweise die Anfechtung „wegen Täuschung, hilfsweise wegen Inhaltsirrtums“ bezüglich des Vertrags vom 11.7.2014.
Der Kläger behauptet, bei der Übergabe des Fahrzeugs am 11.7.2014 davon ausgegangen zu sein, es habe sich um einen VW Golf 7 Variant 1,4 TSI 7 DSG gehandelt.
Der Kläger hat zunächst mit der Klage als Hauptforderung die Übergabe eines PKW VW Golf VII Variant 1.4 TSI, 7-Gang DSG, mit näher bezeichneten Ausstattungsmerkmalen Zug um Zug gegen Rückgabe des PKW VW Golf VII 2.1 TSI Variant mit der … begehrt. Nunmehr beantragt er, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 23.300,00 € Zug um Zug gegen Übergabe des PKW VW Golf VII 2.1 TSI Variant mit der … sowie weitere 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, das von dem Kläger mit Vertrag vom 22.5.2014 gekaufte Fahrzeug sei ihr nicht geliefert worden. Darauf habe sie den Kläger hingewiesen. Dieser habe sich dann am 11.7.2014 zum Kauf eines anderen Fahrzeugs entschlossen. Die Parteien hätten an diesem Tag schriftlich einen weiteren Kaufvertrag, nun über das dem Kläger dann auch übergebene Fahrzeug und zu einem Kaufpreis von 23.300,00 € geschlossen (Anlage B1). In der Vertragsurkunde sei handschriftlich festgehalten worden, dass damit der Kaufvertrag vom 22.5.2014 ersetzt werde. Ihr – der Beklagten – Mitarbeiter … habe den Vertragsinhalt mit dem Kläger besprochen und den Vordruck ausgefüllt. Die Zulassungsbescheinigung Teil II sei dem Kläger durch Herrn … zur Einsicht mit dem Hinweis vorgelegt worden, dass es sich um ein Mietfahrzeug handele.
Der Kläger bestreitet den Abschluss eines weiteren Kaufvertrags am 11.7.2014 und meint, ohnehin hätte die Beklagte ihn in diesem Fall darauf aufmerksam machen müssen, dass es sich um ein Miet- und Unfallfahrzeug gehandelt habe. Der Kaufpreis von 23.300,00 € sei für das tatsächlich übergebene Fahrzeug zudem „deutlich überzogen“. Die Fahrzeugpapiere seien ihm – dem Kläger – erst nach der Bargeldübergabe ausgehändigt worden. Erstmals nach einer Durchsicht der Papiere habe er festgestellt, dass das ihm übergebene Fahrzeug über eine geringere Motorisierung verfügt habe und zuvor als Mietwagen genutzt worden sei. Er gehe davon aus, dass die Beklagte ihm das dann tatsächlich übergebene Fahrzeug „untergeschoben“ habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen … sowie durch Einholung eines Schriftvergleichsgutachtens der Sachverständigen …. Wegen des Beweisergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.6.2015 sowie auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 26.8.2015 Bezug genommen. Der Kläger hat im Einzelnen zum Beweisergebnis Stellung genommen (Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.9.2015).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zum einen kann der Kläger nicht gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 434 Abs. 3 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises nach erklärtem Rücktritt bezüglich des Vertrags vom 22.5.2014 beanspruchen.
Die Rücktrittserklärung des Klägers gemäß anwaltlichem Schreiben vom 13.4.2015, die sich auf den Vertrag vom 22.5.2014 bezog, war gegenstandlos. Dieser Vertrag war bereits zuvor am 11.7.2014 einvernehmlich ersetzt worden durch einen Kaufvertrag über ein anderes, dem Kläger dann auch übergebenes Fahrzeug.
Dies steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur vollen Überzeugung der Kammer gemäß § 286 Abs. 1 ZPO fest.
Der Zeuge … hat bekundet, dass er etwa zu Beginn des Monats Juli 2014 den Kläger telefonisch über die fehlende Möglichkeit der Lieferung des am 22.5.2014 gekauften Fahrzeugs und die Verfügbarkeit eines „vergleichbaren“ Fahrzeugs des Typs 1.2 TSI informiert habe, dass der Kläger sich dieses Fahrzeug später vor Ort angesehen und, nachdem man die Fahrzeugdaten durchgegangen sei, in seines – des Zeugen – Gegenwart das zuvor ausgefüllte Vertragsformular dann unterschrieben habe; der Kläger habe sich außerdem damit einverstanden erklärt, in den „neuen Vertrag“ aufzunehmen, dass dieser den „ersten Vertrag“ ersetzen solle.
An der Glaubhaftigkeit der Aussage oder der Glaubwürdigkeit des Zeugen bestehen keine Zweifel.
Der Zeuge hat seine Bekundungen zunächst auf allgemeine Nachfrage im Zusammenhang detailliert getroffen, ohne dass die Aussage einstudiert oder „zurechtgelegt“ gewirkt hätte. So hat der Zeuge von sich aus darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Automatik „das Wichtigste“ und auch die Lieferbarkeit wichtig gewesen seien. Erinnerungslücken hat der Zeuge von sich aus offenbart, etwa bezüglich der Einzelheiten des Frontschadens und hinsichtlich des Umstands, ob nach Vertragsschluss über die geringere Motorisierung gesprochen wurde. Zudem hat der Zeuge offen gelegt, dass über den Fahrzeugpreis bei Abschluss des zweiten Kaufvertrags nicht gesondert gesprochen worden sei. Den Umstand, dass das Fahrzeug bereits einen Tag zuvor auf den Kläger zugelassen worden war, hat der Zeuge selbst als eine Abweichung von der üblichen Vorgehensweise bei der Beklagten beschrieben. Im Übrigen könnte die vorherige Fahrzeugzulassung vor dem Hintergrund erfolgt sein, dass man auf der Beklagtenseite nach den Telefonaten mit dem Kläger bezüglich des Erwerbs des vor Ort verfügbaren Fahrzeugs zuversichtlich war.
Zudem wird die Aussage des …, soweit sie die Unterschrift durch den Kläger betrifft, durch das schriftliche Gutachten der Sachverständigen … gestützt. Die Sachverständige hat mit ausführlicher und plausibler Begründung überzeugend festgestellt, dass die Unterschrift unten rechts auf dem Original der auf den 11.7.2014 datierten Vertragsurkunde „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ von dem Kläger stamme, wobei diese Einstufung nicht als eine mittlere Wahrscheinlichkeit, sondern mehr in Richtung „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ als in Richtung „non liquet“ zu bewerten sei.
Dem gegenüber kann allein der Umstand, dass der Zeuge … als Angestellter der Beklagten dieser näher stehen mag als dem Kläger, ausreichende Zweifel an der Glaubwürdigkeit nicht begründen. Dass der Zeuge die Unwahrheit gesagt hätte, um die Beklagte zu begünstigen, lässt sich weder dem Inhalt der Bekundungen noch dem Aussageverhalten entnehmen. Auch die Schreiben, die der Kläger selbst unter dem 11. und 17.7.2014 gefertigt hatte, können die Glaubwürdigkeit des Zeugen mit Blick auf eine Gesamtwürdigung der Beweisergebnisse nicht erschüttern. Soweit allerdings in den Vertragsurkunden vom 22.5. und 11.7.2014 jeweils als Erstzulassung „11/2003“ und ein Kilometerstand von 9.800 eingetragen sind, ist dies erstaunlich und auch mit einem Zufall kaum zu erklären. Doch sind möglicherweise in dem Vertragstext vom 22.5.2014, auch wenn die Beklagte dies selbst nicht so vorträgt, die Fahrzeugdaten bezüglich der Typbezeichnung TSI 1.4 TSI 7 DSG versehentlich unzutreffend eingetragen worden, wobei auf der Beklagtenseite eigentlich bereits das verfügbare und dem Kläger später tatsächlich übergebene Fahrzeug 1.2 TSI gemeint gewesen sein könnte. Dies wäre allerdings mit Blick darauf, dass zwischen den Parteien nachträglich am 11.7.2014 ein Kaufvertrag über das Fahrzeug 1.2 TSI geschlossen wurde, rechtlich nicht mehr erheblich.
Zum anderen steht dem Kläger auch kein Anspruch gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises bezogen auf den Kaufvertrag vom 11.7.2014 zu.
Das dem Kläger übergebene Fahrzeug war nicht mit einem Sachmangel behaftet. Dies gilt auch mit Blick auf den Umstand, dass das Fahrzeug einen Unfallschaden erlitten hatte und zuvor als Mietwagen genutzt worden war. In der Vertragsurkunde selbst, die nach dem Beweisergebnis auch von dem Kläger unterschrieben wurde, war ausdrücklich auf einen „fachgerecht behobenen Frontschaden“ hingewiesen. Darüber hinaus hat der Zeuge … auch insoweit wiederum glaubhaft bekundet, dass er anlässlich des Abschlusses des zweiten Kaufvertrags mit dem Kläger über den Frontschaden gesprochen und gegenüber dem Kläger außerdem thematisiert habe, dass vorherige Halterin eine Autovermietung war.
Schließlich kann der Kläger von der Beklagten auch nicht gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 2 1. Var. BGB, 142 Abs. 1 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises beanspruchen.
Der Kaufvertrag vom 11.7.2014 ist nicht aufgrund der erklärten Anfechtung als von Anfang an nichtig anzusehen. Es besteht kein Anfechtungsrecht zu Gunsten des Klägers.
Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 1. Var. BGB sind nicht gegeben, weil es an einer Täuschung fehlt. Gemäß der Aussage des Zeugen … hatte dieser den Kläger bereits telefonisch vor Abschluss des zweiten Kaufvertrags darüber informiert, dass ersatzweise ein Fahrzeug des Typs TSI 1.2 verfügbar sei. Diese Bezeichnung wurde dann als solche noch ausdrücklich in die Vertragsurkunde aufgenommen.
Eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, weil der Kläger keinem beachtlichen Erklärungs- oder Inhaltsirrtum unterlag. Der Kläger trägt bereits selbst nicht vor, welche konkrete Fehlvorstellung er bei Unterzeichnung der Vertragsurkunde am 11.7.2014 gehabt habe. Er hat sich vielmehr stets darauf berufen, keine auf den Abschluss eines weiteren Kaufvertrags gerichtete Willenserklärung abgegeben zu haben. Sofern er die von ihm am 11.7.2014 unterzeichnete Vertragsurkunde, etwa bezüglich der Typenbezeichnung 1.2 TSI, nicht gelesen haben sollte, könnte dies ohnehin grundsätzlich kein Anfechtungsrecht begründen (vgl. Palandt/Ellenberger, § 119 BGB, Rn. 9).
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
Der Inhalt des Schriftsatzes der Klägerseite vom 6.9.2016, der nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung eingereicht worden ist und ganz überwiegend eine wörtliche Wiederholung des Schriftsatzes vom 28.9.2015 enthält, hat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 ZPO geben können.