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Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages: Nichtigkeit beim Umgehen des Weiterverkaufsverbots

Ein Autokäufer ignorierte das Weiterverkaufsverbot des Herstellers, um einen Mercedes G63 sofort gewinnbringend weiterzuhandeln und forderte 100.000 Euro Gewinn. Diese gezielte Umgehung des Vertragsrechts führte am Ende dazu, dass der gesamte ursprüngliche Kaufvertrag plötzlich seine Gültigkeit verlor.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 36 U 1457/24 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht München
  • Datum: 04.04.2025
  • Aktenzeichen: 36 U 1457/24 e
  • Verfahren: Berufung
  • Rechtsbereiche: Zivilrecht, Kaufrecht, Sittenwidrigkeit

  • Das Problem: Ein Händler von Luxusautos forderte Schadenersatz von einer Reinigungsunternehmerin. Die Unternehmerin hatte dem Händler ein neu bestelltes Luxusfahrzeug nicht geliefert. Dies, obwohl die Unternehmerin dem Fahrzeughersteller vertraglich zusichern musste, das Auto nicht sofort weiterzuverkaufen.
  • Die Rechtsfrage: Ist ein Kaufvertrag zwischen zwei Parteien ungültig, wenn sie bewusst zusammenarbeiten, um vertragliche Verkaufsbeschränkungen eines Dritten zu umgehen?
  • Die Antwort: Ja, der Kaufvertrag ist ungültig. Das Gericht sah den Vertrag als sittenwidrig an, weil Händler und Unternehmerin vorsätzlich den Vertragsbruch gegenüber dem Hersteller herbeiführten. Dadurch verlor der Händler seinen Anspruch auf Schadenersatz.
  • Die Bedeutung: Das Urteil bestätigt, dass Vereinbarungen, die bewusst auf die Umgehung schützenswerter Verkaufsverbote Dritter abzielen, unwirksam sind. Wer Dritte vorsätzlich zum Vertragsbruch verleitet, kann daraus keine Ansprüche ableiten.

Der Fall vor Gericht


Warum war der Kaufvertrag über den Mercedes eine juristische Zeitbombe?

Manchmal sind Verträge wie präzise gebaute Maschinen. Jedes Rädchen greift ins andere, jede Unterschrift zementiert eine Pflicht. Ein Münchner Autohändler glaubte, einen solchen perfekten Vertrag in Händen zu halten.

Der Käufer sichtet Vertragsdetails und die handschriftliche Zusage, die zur Sittenwidrigkeit des Kaufvertrages führte.
Sittenwidriger Kaufvertrag zum Weiterverkauf kippt Schadenersatzansprüche wegen § 138 BGB. | Symbolbild: KI

Er sollte ihm einen Gewinn von über 100.000 Euro aus dem Weiterverkauf eines Mercedes-AMG G63 sichern. Doch die Richter des Oberlandesgerichts München sahen genauer hin. Sie entdeckten einen eingebauten Konstruktionsfehler: Der gesamte Vertrag war von Anfang an darauf ausgelegt, einen anderen Vertrag zu brechen. Und das machte ihn wertlos.

Die Ausgangslage war ein cleveres, aber riskantes Geschäftsmodell. Eine Unternehmerin aus der Reinigungsbranche bestellte am 12. Mai 2021 bei einem Mercedes-Händler einen begehrten G63 für knapp 195.000 Euro. Mit ihrer Unterschrift akzeptierte sie die Bedingungen des Herstellers. Diese Bedingungen waren streng. Sie verboten einen Weiterverkauf des Wagens für mindestens sechs Monate. Der Hersteller wollte so den grauen Markt austrocknen und sein Händlernetz schützen. Am selben Tag unterzeichnete die Unternehmerin einen zweiten Vertrag. Dieser Vertrag regelte den sofortigen Weiterverkauf desselben G63 an einen freien Autohändler – für einen kleinen Aufschlag von 2.000 Euro. Der Händler hatte bereits einen Käufer in Kirgisien, dem er den Wagen für 250.000 Euro netto verkaufen wollte. Um der Unternehmerin die Angst vor den Strafen des Herstellers zu nehmen, gab der Händler ihr ein schriftliches Versprechen: Er würde für alle Kosten und Strafen aufkommen, die aus dem Bruch des ersten Vertrages entstehen.

Welche Argumente prallten vor Gericht aufeinander?

Der Plan scheiterte. Die Unternehmerin lieferte das Fahrzeug nicht an den freien Händler. Dieser sah seinen lukrativen Weiterverkauf platzen und zog vor Gericht. Er forderte Schadenersatz für den entgangenen Gewinn. Seine Rechnung war einfach: Der Vertrag sei glasklar, die Unternehmerin habe ihre Pflicht zur Lieferung verletzt. Der Schaden belaufe sich auf 100.530 Euro.

Die Unternehmerin verteidigte sich mit einer ganzen Reihe von Argumenten. Sie zweifelte die Gültigkeit des Vertrags an. Ihre Unterschrift sei möglicherweise gefälscht, der Mitarbeiter des Händlers habe keine Vollmacht gehabt. Ihre zentrale Verteidigungslinie war aber eine andere. Sie argumentierte, der gesamte Deal sei ein sittenwidriges Konstrukt. Der Händler habe sie nur als Strohfrau benutzt, um die Verkaufsbeschränkungen des Herstellers zu umgehen. Ein Geschäft, das gezielt darauf angelegt sei, einen Vertragsbruch zu begehen, könne vor dem Gesetz keinen Bestand haben.

Wie zerlegte das Gericht die formalen Einwände – um den Vertrag dann doch zu kippen?

Das Oberlandesgericht München ging die Sache in zwei Schritten an. Zuerst prüfte es die formalen Aspekte des Vertrages. Existiert überhaupt ein wirksamer Vertrag zwischen dem Händler und der Unternehmerin? Das Gericht bejahte diese Frage. Ob die Unterschrift nun original oder kopiert war, spielte keine Rolle, da die Unternehmerin zugab, eine inhaltsgleiche Vereinbarung unterschrieben zu haben. Auch die Zweifel an der Vollmacht des Mitarbeiters wischte das Gericht vom Tisch. Der Mann war unstrittig für den Händler tätig, sein Handeln wurde dem Unternehmen zugerechnet. Formal betrachtet war der Vertrag also zustande gekommen.

Damit war der Weg frei für die entscheidende Frage. Es ging nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“ und „Warum“ dieses Vertrages. Hier schwenkte das Gericht auf die Argumentation der Unternehmerin ein. Es analysierte den Zweck der Vereinbarung. Der Vertrag zwischen Händler und Unternehmerin hatte nur einen Sinn: die vertraglichen Pflichten der Unternehmerin gegenüber dem Mercedes-Hersteller gezielt zu verletzen. Der sofortige Weiterverkauf war der Kern des Geschäfts – und gleichzeitig der programmierte Bruch der Haltefrist.

Was genau macht ein Geschäft „sittenwidrig“ und damit wertlos?

Das Gericht stützte seine Entscheidung auf einen mächtigen Grundsatz des deutschen Rechts: die Sittenwidrigkeit nach § 138 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Diese Norm besagt, dass ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, von Anfang an nichtig ist. Es ist so, als hätte es den Vertrag nie gegeben.

Im Klartext bedeutet das: Das Recht schützt die Vertragsfreiheit, aber es schützt kein bewusstes und gemeinschaftliches Vorgehen, um die Rechte eines Dritten auszuhebeln. Genau das sahen die Richter hier. Der Händler und die Unternehmerin hatten im vollen Bewusstsein zusammengewirkt, um die legitimen Interessen des Herstellers zu unterlaufen. Das Versprechen des Händlers, alle Strafen zu übernehmen, war für das Gericht der letzte Beweis. Es offenbarte die Kaltblütigkeit, mit der der Vertragsbruch geplant war. Das Gericht sprach von einem besonderen Maß an Illoyalität und Rücksichtslosigkeit. Die Klauseln des Herstellers dienten schützenswerten Zielen – der Stabilität des Vertriebsnetzes, der Kontrolle über den Absatzmarkt und der Verhinderung von Exporten, die gegen Embargos verstoßen könnten.

Die Konsequenz dieser Feststellung war für den klagenden Händler vernichtend. Ein nichtiger Vertrag kann keine Ansprüche begründen. Wo rechtlich kein Vertrag existiert, kann auch keine Vertragspflicht verletzt werden. Wo keine Pflicht verletzt wird, gibt es keinen Anspruch auf Schadenersatz. Der Traum vom schnellen Gewinn in Höhe von über 100.000 Euro war geplatzt. Die Klage wurde abgewiesen, der Händler musste die gesamten Kosten des Verfahrens tragen. Das Gericht ließ allerdings die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Die Frage, wann genau das Verleiten zum Vertragsbruch einen ganzen Vertrag kippt, ist von so grundsätzlicher Bedeutung, dass sie eine finale Klärung durch Deutschlands oberste Zivilrichter verdient.

Die Urteilslogik

Ein Rechtsgeschäft verliert seine Gültigkeit, wenn sein einziger Zweck darin besteht, die vertraglichen Pflichten Dritter gezielt zu verletzen.

  • Grenzen der Vertragsfreiheit: Die Freiheit, Verträge zu schließen, endet dort, wo eine Vereinbarung vorsätzlich dazu dient, die legitimen Rechte und Pflichten, die gegenüber einem Dritten bestehen, rücksichtslos zu unterlaufen.
  • Beweis der Sittenwidrigkeit: Wer dem Vertragspartner eine Freistellungszusage erteilt, um ihn vor den Strafen eines Drittvertrages zu schützen, legt die Illoyalität und die gezielte Planung des Vertragsbruchs offen.
  • Folge der Nichtigkeit: Ist ein Kaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit von Anfang an nichtig, kann der Käufer keinen Schadenersatz für den entgangenen Gewinn fordern, da keine rechtlich durchsetzbare Pflicht zur Erfüllung des Geschäftes existierte.

Das Zivilrecht schützt keine Geschäfte, die auf einem besonderen Maß an Illoyalität und Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Vertragspartnern basieren.


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Experten Kommentar

Wer meint, sich mit einer Freistellungserklärung freikaufen zu können, nur um lukrative Weiterverkaufsverbote beim Neuwagen zu umgehen, irrt sich gewaltig. Das Gericht sieht die Sache sehr klar: Ein Kaufvertrag ist von Anfang an vergiftet, wenn sein einziger Zweck das vorsätzliche und koordinierte Verleiten zum Vertragsbruch eines Dritten ist. Die Richter ziehen eine klare rote Linie: Ein Geschäft, das nur existiert, um die legitimen Interessen des Herstellers auszuhebeln, verstößt gegen die guten Sitten und ist damit rechtlich null und nichtig. Das ist eine kalte Dusche für den Graumarkt, denn wo der Grundvertrag nichtig ist, gibt es keinen Schadenersatz für den entgangenen Gewinn – egal, wie hoch dieser gewesen wäre.


Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wann ist mein Kaufvertrag sittenwidrig und rechtlich von Anfang an nichtig?

Ihr Vertrag gilt als sittenwidrig und ist gemäß § 138 BGB von Anfang an (nichtig ex tunc) unwirksam, wenn er bewusst darauf abzielt, die vertraglichen Rechte eines Dritten gezielt zu verletzen. Die Gerichte prüfen, ob der einzig erkennbare Zweck des Geschäfts ein gemeinschaftliches Vorgehen beider Partner ist, um legitime Pflichten auszuhebeln. Solche Geschäfte verstoßen gegen die grundlegenden Wertvorstellungen der Rechts- und Sozialordnung.

Die Regel: Ein Rechtsgeschäft verstößt gegen die guten Sitten, wenn es mit den ethischen und moralischen Grundsätzen der Gesellschaft unvereinbar ist. Eine Sittenwidrigkeit wird in Verträgen besonders dann festgestellt, wenn beide Parteien kollusiv handeln. Das bedeutet, beide Vertragspartner müssen den verwerflichen Zweck des Geschäfts kennen und wollen, dass dadurch die Rechte eines Dritten verletzt werden. Das Recht schützt die Vertragsfreiheit, aber es duldet kein bewusstes und gemeinschaftliches Vorgehen, um die Rechte eines Dritten auszuhebeln.

Dies geschieht oft in sogenannten Strohmann-Geschäften, die darauf ausgelegt sind, vertragliche Haltefristen zu umgehen. Ein starker Beweis für den sittenwidrigen Zweck ist, wenn der Zweitkäufer im Vertrag die Haftung für alle drohenden Vertragsstrafen des Erstverkäufers übernimmt. Diese Klausel beweist die Kaltblütigkeit der geplanten Pflichtverletzung. Das Gericht wird formelle Wirksamkeit oft bejahen, um den Vertrag dann aufgrund dieses verwerflichen Zwecks zu kippen.

Vergleichen Sie sofort den Originalvertrag und den neuen Zweitvertrag, um zu sehen, welche Pflichten, wie Haltefristen, durch das Geschäft unmittelbar verletzt werden.


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Was riskiere ich, wenn ich die vertragliche Weiterverkaufsfrist bewusst ignoriere?

Wer eine vertraglich vereinbarte Haltefrist (beispielsweise sechs Monate) vorsätzlich bricht, sieht sich einem doppelten Risiko ausgesetzt. Neben der drohenden Vertragsstrafe des Originalverkäufers ist das primäre Problem die Nichtigkeit des Weiterverkaufsgeschäfts. Der gesamte lukrative Zweitvertrag wird ungültig, falls sein alleiniger Zweck darin bestand, die Haltepflicht gezielt zu umgehen. Die juristische Zeitbombe liegt nicht nur in der Strafe, sondern im kompletten Verlust des Gewinns.

Der Originalverkäufer (oft der Hersteller) kann aufgrund der Vertragsverletzung eine vereinbarte Vertragsstrafe fordern oder Schadenersatz geltend machen. Das gefährlichere Risiko entsteht jedoch durch das deutsche Recht der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB. Wenn beide Parteien den Weiterverkauf gezielt planen, um die legitimen vertraglichen Rechte eines Dritten zu verletzen, sieht das Gesetz darin ein verwerfliches, gemeinschaftliches Vorgehen. Diese Rücksichtslosigkeit gegenüber den Interessen des Herstellers führt zur Nichtigkeit des gesamten Geschäfts.

Konkret bedeutet die Nichtigkeit, dass der Vertrag als von Anfang an unwirksam gilt und Sie jeglichen Anspruch auf den erwarteten Aufschlag verlieren. Selbst wenn der Zweitkäufer schriftlich zusichert, alle Strafen zu übernehmen, ist diese Freistellungsklausel wertlos. Sie ist Teil des nichtigen Vertrages und dient Gerichten oft als starkes Beweismittel für die geplante Illoyalität. Ohne einen gültigen Vertrag können Sie den entgangenen Gewinn nicht als Schadenersatz einklagen.

Kontaktieren Sie sofort den Original-Verkäufer schriftlich, um nachträglich eine Freigabe oder Kulanzlösung zu erhalten und so die Sittenwidrigkeitsfalle zu entschärfen.


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Kann ich Schadenersatz fordern, wenn mein Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist?

Wenn Ihr Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtig ist, besteht kein Anspruch auf Schadenersatz. Der Vertrag wird als von Anfang an unwirksam betrachtet – Juristen sprechen von Nichtigkeit ex tunc. Fehlt eine juristische Grundlage für das Geschäft, kann auch keine vertragliche Pflicht verletzt worden sein. Damit entfällt die wichtigste Voraussetzung für eine Forderung nach entgangenem Gewinn.

Die Feststellung der Sittenwidrigkeit hat vernichtende Wirkung für sämtliche finanziellen Ansprüche. Sobald ein Gericht feststellt, dass der Vertrag bewusst gegen die guten Sitten verstoßen hat, war er rechtlich nie gültig. Das Nichtigkeitsprinzip verhindert, dass Sie Schadenersatz wegen Nichterfüllung oder dem Verlust des erwarteten Gewinns fordern können. Die angebliche Pflicht zur Lieferung der Ware oder zur Erbringung der Leistung war rechtlich nie bindend vereinbart, da der gesamte Deal von Beginn an wertlos war.

Diese juristische Realität kann harte finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen, wie der Fall des Händlers zeigte, der einen Gewinn von über 100.000 Euro einforderte. Er verlor diesen Anspruch komplett, weil das Gericht den Weiterverkaufsvertrag kippte. Der Kläger trägt nicht nur den Verlust, sondern muss zusätzlich die gesamten Prozesskosten des Verfahrens bezahlen, einschließlich der Anwalts- und Gerichtskosten der Gegenseite.

Bevor Sie Klage erheben, führen Sie eine rigorose interne Risikobewertung durch, um die Gefahr der Sittenwidrigkeitsfalle realistisch einzuschätzen.


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Was passiert, wenn mein Zweitvertrag die vertraglichen Rechte des Original-Verkäufers verletzt?

Ihr Zweitvertrag wird nichtig, wenn der Bruch der Pflichten des Erstvertrages der ausschließliche und bewusst angestrebte Zweck des neuen Geschäfts ist. Es genügt nicht, dass die Rechte Dritter nur unbeabsichtigt beeinträchtigt werden oder nur eine Nebenfolge des Geschäfts darstellen. Gerichte prüfen, ob die Verletzung vertraglicher Beschränkungen gegenüber dem Original-Verkäufer gezielt herbeigeführt wurde.

Ein Vertrag verstößt gegen die guten Sitten (§ 138 BGB), wenn beide Vertragsparteien wussten und wollten, dass die Abwicklung des Geschäfts automatisch zum Verstoß gegen den Erstvertrag führt. Dies wird als kollusives Zusammenwirken bewertet. Gerichte legen Wert darauf, dass die Rechte des ursprünglichen Verkäufers – wie beispielsweise eine Haltefrist zum Schutz des Vertriebsnetzes – schützenswert sind. Die Nichtigkeit tritt nur ein, wenn die geplante Pflichtverletzung das Geschäft dominiert.

Der Zweitkäufer, der den Pflichtverstoß aktiv organisiert, gilt als Verleiter zur Pflichtverletzung, was ein starkes Indiz für Sittenwidrigkeit ist. Nehmen wir an: Ein Händler kauft sofort ein begehrtes Gut von einer Privatperson weiter, obwohl diese Person eine sechsmonatige Weiterverkaufsbeschränkung akzeptiert hat. Übernimmt der Händler dabei explizit die Haftung für alle potenziellen Strafen, beweist dies die Kaltblütigkeit der geplanten Umgehung. Diese Rücksichtslosigkeit macht den gesamten Kaufvertrag wertlos.

Prüfen Sie, ob für den Zweitvertrag ein ökonomisch sinnvoller Grund existiert, der unabhängig von der sofortigen Pflichtverletzung ist, und dokumentieren Sie diesen.


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Wie kann ich meine Verträge rechtlich prüfen, um Sittenwidrigkeit sicher zu vermeiden?

Die sicherste Methode zur Vermeidung von Sittenwidrigkeit ist die sogenannte Zweck-Analyse. Überprüfen Sie, ob Ihr Vertrag auch dann noch ökonomisch sinnvoll und tragfähig wäre, wenn Sie alle Pflichten gegenüber Dritten, wie festgelegte Haltefristen, exakt einhalten müssten. Juristische Risikokonstrukte können Verträge von Anfang an nichtig machen und führen oft zum vollständigen Verlust aller Ansprüche.

Vermeiden Sie unbedingt sogenannte Strohmann-Konstrukte. Diese liegen vor, wenn eine Person nur vorgeschoben wird, um Verkaufsbeschränkungen des Erstverkäufers gezielt zu umgehen. Kaufen Sie Güter immer direkt im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Ein weiterer kritischer Punkt ist die Risikoübernahme: Nehmen Sie keine Verpflichtung in den Vertrag auf, in der Sie sich bereit erklären, für drohende Vertragsstrafen oder Kosten einzustehen, die aus dem Bruch eines Drittenvertrages resultieren.

Halten Sie vertraglich zugesicherte Fristen zwingend ein. Wenn eine Haltefrist von beispielsweise sechs Monaten existiert, vereinbaren Sie den Weiterverkauf erst für einen Termin nach deren Ablauf. Achten Sie auch auf die Verhältnismäßigkeit des Preises: Ein minimaler Aufschlag von 2.000 Euro für den Strohmann bei einem erwarteten Gesamtgewinn von 100.000 Euro kann als starkes Indiz für ein sittenwidriges Umgehungsgeschäft gelten.

Führen Sie den „6-Monats-Test“ durch: Verzögern Sie den vertraglichen Liefertermin auf den Tag nach Ablauf der Haltefrist und prüfen Sie, ob Ihr Geschäftspartner dann noch an der Transaktion interessiert ist.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Haltefrist

Eine Haltefrist ist eine vertragliche Vereinbarung, die den Käufer verpflichtet, eine erworbene Sache (oft ein hoch begehrtes Fahrzeug) für einen bestimmten Zeitraum nicht weiterzuverkaufen.
Hersteller nutzen diese Beschränkungen, um den grauen Markt zu kontrollieren, Spekulationsgewinne zu verhindern und so ihr offizielles Vertriebsnetzwerk zu schützen.

Beispiel: Im vorliegenden Fall hatte die Unternehmerin eine sechsmonatige Haltefrist gegenüber Mercedes akzeptiert, die sie durch den sofortigen Weiterverkaufsvertrag gezielt brach.

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Kollusives Zusammenwirken

Juristen nennen das kollusive Zusammenwirken das bewusste und gewollte gemeinsame Handeln zweier Vertragsparteien, dessen alleiniger Zweck die gezielte Schädigung der vertraglichen Rechte eines Dritten ist.
Dieses Kriterium ist oft entscheidend, um ein Geschäft als sittenwidrig einzustufen, da es die geplante Illoyalität und die Rücksichtslosigkeit der Beteiligten offenbart.

Beispiel: Das Oberlandesgericht München sah das kollusive Zusammenwirken darin, dass der Händler und die Unternehmerin wissentlich zusammenarbeiteten, um die vertraglich vereinbarte Haltepflicht gegenüber dem Fahrzeughersteller zu unterlaufen.

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Nichtigkeit

Nichtigkeit beschreibt den Zustand, in dem ein Rechtsgeschäft von Anfang an, also rückwirkend (ex tunc), als unwirksam angesehen wird, so als hätte es nie existiert.
Stellt das Gesetz die Nichtigkeit fest – meist aufgrund der Sittenwidrigkeit –, können aus dem Vertrag keine Ansprüche auf Leistung oder Schadenersatz geltend gemacht werden.

Beispiel: Aufgrund der Nichtigkeit des sittenwidrigen Weiterverkaufsvertrages konnte der klagende Händler keinen Anspruch auf den entgangenen Gewinn von über 100.000 Euro gegen die Unternehmerin durchsetzen.

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Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB)

Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn ein Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, das heißt, es widerspricht den grundlegenden Wertvorstellungen und moralischen Anschauungen der Gesellschaft.
Dieser mächtige Grundsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches dient als Auffangnetz, um Rechtsgeschäfte, die zwar formal korrekt sind, aber einen verwerflichen oder rücksichtslosen Zweck verfolgen, von Beginn an ungültig zu erklären.

Beispiel: Das Gericht sah die Sittenwidrigkeit des Geschäfts darin begründet, dass der Händler die Unternehmerin gezielt dazu verleitete, ihren Vertrag mit dem Mercedes-Hersteller zu brechen, um Spekulationsgewinne zu erzielen.

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Strohmann-Konstrukt

Bei einem Strohmann-Konstrukt wird eine Person nur vorgeschoben, um formale oder vertragliche Beschränkungen zu umgehen, wobei die eigentliche wirtschaftliche Kontrolle und das Interesse bei einem Dritten liegen.
Diese Konstrukte werden häufig genutzt, um Verbote zu unterlaufen oder Pflichten gegenüber Dritten gezielt zu verletzen, weshalb Gerichte sie oft als klares Indiz für Sittenwidrigkeit werten.

Beispiel: Im Fall des G63 wurde die Unternehmerin als Strohfrau benutzt, um das Fahrzeug schnell im eigenen Namen zu erwerben und damit die vertraglichen Verkaufsbeschränkungen des Herstellers zu ignorieren.

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Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 36 U 1457/24 e – Endurteil vom 04.04.2025


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