LG Saarbrücken, Az.: 10 S 69/10, Urteil vom 30.09.2010
Sachmangel bei Nässeeintritt in ein Kraftfahrzeug
Die Berufung der Kläger gegen das am 5.3.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Merzig – Az.: 23 C 574/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 2.000,– Euro.
Gründe
I.
Die Klägerin zu 1) bestellte am 30.9.2005 bei der Beklagten ein Fahrzeug der Marke , Typ Corolla (Bl. 17 ff d. A.). Am 20.1.2006 kam es zum Abschluss eines Leasingvertrags über das Fahrzeug zwischen dem Kläger zu 2) und der Leasing GmbH.
Beim Öffnen der Fahrertür bzw. der Beifahrertür gelangt bei Regenwetter Nässe in das Fahrzeuginnere. Der Sachverständige H kam in einem Gutachten in dem von den Klägern beantragten selbständigen Beweisverfahren 24 H 20/08 zu dem Ergebnis, dass der Wassereintritt durch am Dachholmen des Fahrzeugs sich sammelndes Regenwasser bedingt sei, das sich wegen des Fehlens einer Regenrinne, auf die auf optischen Gründen und wegen der Vermeidung von Windgeräuschen bei Fahrzeugen moderner Bauart verzichtet werde, an der äußeren Dachholmkante sammele und bei Öffnen der Tür in den Fahrgastraum abtropfe.
Die Klägerin ist der Ansicht, es handele sich hierbei um einen Mangel des Fahrzeugs und hat Minderung in Höhe von 2.000,– EURO von der Beklagten verlangt. Das Fahrzeug eigne sich nicht für die vorgesehene Verwendung, weil durch den Wassereintritt in den Innenraum die Sitzpolster durchnässt und fleckig würden und die Scheiben von innen beschlügen.
Die Beklagte hat einen Sachmangel des Fahrzeugs in Abrede gestellt, weil das Fahrzeug nach den Feststellungen des Sachverständigen H in seiner konstruktiven Ausgestaltung dem Entwicklungsstand vergleichbarer Fahrzeuge und dem Stand der Technik in der gesamten Automobilindustrie entspreche. Sie hat die Aktivlegitimation der Klägerin im Hinblick darauf bestritten, dass der Kläger zu 2) Leasingnehmer sei.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Klägerin sei zur Geltendmachung eines Minderungsrechts nicht befugt. Sachmängelansprüche aus eigenem Recht stünden ihr nicht zu, weil der Kaufvertrag zwischen der T Leasing GmbH und der Beklagten zustande gekommen sei. Eine Weiterabtretung der Sachmängelansprüche des Klägers zu 2), die dieser seinerseits durch Abtretung seitens der Leasinggesellschaft erworben habe, sei mangels Zustimmung der Leasinggesellschaft nach Ziff. XVIII Abs. 3 der Leasingbedingungen unwirksam.
Die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozessstandschaft lägen nicht vor, weil die Nutzung des Fahrzeugs durch die Klägerin das hierfür erforderliche Eigeninteresse an der Prozessführung nicht zu begründe vermöge und sie ihre Behauptung nicht unter Beweis gestellt habe, dass sie die Leasingraten zahle.
Der Kläger zu 2) sei zwar zur Geltendmachung eines Minderungsrechts befugt, ein solches bestehe aber nicht, weil das Fahrzeug keinen Sachmangel im Sinne des … § 434 BGB aufweise, da der Wassereintritt bauartbedingt nach den Ausführungen des Sachverständigen H nicht zu vermeiden sei und die Dachkonstruktion sowie das Fehlen einer Regenablaufrinne dem heutigen Stand der Technik entspreche.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlich vorgetragenen Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihre Ansprüche weiter. Sie tragen vor, die Klägerin zu 1) könne nach den Grundsätzen der gewillkürten Prozesstandschaft den Minderungsanspruch geltend machen, weil sie als Ehefrau des Leasingnehmers und Hauptnutzerin des Fahrzeugs eine deutlichen Leistungsnähe aufweise und die Leasingraten alleine aufbringe. Sie trägt unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Landgerichts Aurich vor, jedweder Wassereintritt in ein Fahrzeug begründe einen Sachmangel, dies zumal es vorliegend zu einem Wassereintritt in den Fahrgastraum gekommen sei. Es handele sich nicht lediglich um eine Minderung am Komfort des Fahrzeugs, von dem auch nicht alle Personenwagen betroffen seien. Zumindest hätte die Beklagte beim Verkauf des Fahrzeugs hierauf hinweisen müssen.
Die Kläger beantragen (Bl. 234 d. A.), unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Merzig vom 5.3.2010 – Az.: 23 C 574/09 – die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.000,– EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2009 zu zahlen.
2. hilfsweise, an die Kläger als Gesamtgläubiger 2.000,– EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2009 zu zahlen und zwar an die Zahlstelle: T Leasing GmbH in K
3. an die Klägerin zu 1) vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 EURO nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt (B. 213 d. A.), die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Wegen des Sach – und Streitstandes im übrigen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, auf die Sitzungsniederschriften vom 24.9.2010 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist gem. § 511 ZPO statthaft und gem. §§ 517, 522 ZPO form – und fristgerecht erhoben, sie ist somit zulässig.
In der Sache hat das Rechtsmittel der Kläger keinen Erfolg.
Es kann dahinstehen, ob die Klägerin zu 1) zulässigerweise im Wege der gewillkürten Prozesstandschaft die Gewährleistungsrechte des Klägers zu 2) geltend machen kann.
Denn zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht bereits einen Sachmangel des Fahrzeug im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB verneint.
Einen Sachmangel nach dieser Vorschrift stellt der unstreitige Nässeeintritt in das Fahrzeug nur dann dar, wenn – mangels vertraglicher Beschaffenheitsvereinbarung – dadurch die vertraglich vorausgesetzte Verwendung oder die gewöhnliche Verwendung beeinträchtigt ist und es sich um ein Merkmal handelt, das nicht bei Sachen der gleichen Art üblich ist und vom Käufer nach Art der Sache erwartet werden konnte, § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB.
Bereits der Wortlaut der Vorschrift zeigt, dass es für die Annahme eines Mangels nicht ausreichend ist, dass der Verwendungszweck – hier die Durchführung von Fahrten auch bei Regenwetter – durch die Eigenart der Sache negativ berührt ist.
Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, dass als Maßstab für die zu erwartende Beschaffenheit der aktuelle Stand der Technik heranzuziehen ist, hinter der das Fahrzeug nicht zurückbleiben darf.
Aufgrund der durch das Gutachten H festgestellten Tatsachen steht fest, dass die von den Klägern beanstandeten Umstände bauartbedingt sind und dem Stand der Technik entsprechen.
Nach dem heutigen Stand der Technik komme es aus Gründen der Optik und zur Vermeidung von Windgeräuschen nicht mehr zum Einbau von Regenrinnen. Die Formgebung der Karosserie mit eingezogener Dachkonstruktion, die das Auftropfen von Regenwasser auf die Sitze erst ermögliche, sei heute üblich. Der damit verbundene Komfortmangel werde aus Gründen der Optik hingenommen.
An diese Tatsachenfeststellungen, die die Kläger nicht in Abrede stellen, ist das Berufungsgericht gem. § 529 ZPO gebunden. Es besteht deshalb auch kein Grund für die Einholung eines weiteren Gutachtens, das die Kläger in der Berufungsinstanz beantragt haben.
Es ist nicht zu erwarten, dass dieses zu anderen Tatsachenfeststellungen führen wird, was Voraussetzung für eine erneute Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz wäre (so auch Thomas – Putzo, Zivilprozessordnung, 30. Aufl. 2009, Rdnr. 4 zu § 529 ZPO). Die Bewertung, ob diese Tatsachen für die Annahme eines Mangels nach § 434 BGB ausreichen, ist eine Rechtsfrage, die durch das Gericht zu entscheiden ist.
Für die Prüfung anhand des Maßstabs der üblichen und zu erwartenden Beschaffenheit gilt, dass ein Neuwagen nach Bauart, Typ, Ausstattung und Preisklasse an Fahrzeugen der gleichen Baureihe zu messen ist. Sofern das Merkmal konstruktionsbedingt der gesamten Baureihe anhaftet, ist die Soll – Beschaffenheit unter Heranziehung von vergleichbaren Fahrzeugen anderer Hersteller zu ermitteln. Bei der Ermittlung des Referenzfahrzeugs ist darauf zu achten, dass es soweit wie möglich dem zu Prüfenden entspricht. (so auch Reinking – Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl. 2009, Rdnr. 212). Dies rechtfertigt es, als Vergleichsgruppe ausschließlich Stufenheckfahrzeuge mit eingezogener Dachkonstruktion heranzuziehen.
Es ist damit nicht zutreffend, wie der Kläger vorträgt, dass abzustellen sei, auf alle nur denkbaren Fahrzeuge und ein Mangel bereits deshalb vorläge, weil es Fahrzeuge gibt, die wegen einer abweichenden Konstruktion diesen Nachteil nicht aufweisen.
Dem hat der Sachverständige H auch Rechnung getragen, indem er bei der Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren insgesamt vier Fahrzeuge vergleichbarer Bauart aus dem Mittelklassesegment untersucht und auch dort bauartbedingt eine Befeuchtung der Fahrzeugsitze und Einstiegsbereiche festgestellt hat.
Zu Recht hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der mit dem Nässeeintritt verbundene Komfortmangel als dem Stand der Technik entsprechend hinzunehmen ist. Problemlösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, sind trotz ihrer negativen Begleiterscheinungen keine Sachmängel, sondern konstruktionsbedingte Eigentümlichkeiten (so auch Reinking – Eggert, a. a. O, Rdnr. 204 und 207 unter Hinweis auf eine Entscheidung des KG vom 22.1.1997).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Landgerichts Aurich vom 9.5.2008 – 1 S 60/08 –.
Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass der dortige Fall bereits deshalb nicht vergleichbar ist, weil es sich dort um ein besonders hochwertiges und teures Fahrzeug gehandelt hat. Im Hinblick hierauf hatte das LG Aurich in diesem speziellen Fall auch eine entsprechende Aufklärungspflicht des Verkäufers bejaht (so LG Aurich, a. a. O, nach JURIS Rdnr. 9 und 10 a. E.). Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers für bloße Komfortbeeinträchtigungen ist ohnehin nicht anzunehmen.
Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Revision war zurückzuweisen. Die Kammer folgt der Auffassung der Kläger nicht, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO hat. Das Kammergericht hat in einer Entscheidung vom 22.1.1997 veröffentlicht in OLGR 1997, 173 das Vorliegen eines Mangels bei Wassereintritt in einem ähnlich gelagerten Fall abgelehnt und hiergegen keinen nennenswerten Widerspruch in der Literatur erfahren (vgl. Reinking – Eggert, a. a. O, Rdnr. 207). Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Revisionsgerichts ebenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Festsetzung einer Sicherheitsleistung ist entbehrlich, da eine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) nicht statthaft ist, wenn der Wert der mit der Revision gelten zu machenden Beschwer 20.000 Euro nicht übersteigt. Da dies hier nicht der Fall ist, liegen die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vor.