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Rückabwicklung Fahrzeugkaufvertrag – Entbehrlichkeit der Nachbesserungsfrist

LG Köln – Az.: 18 O 415/17 – Urteil vom 05.12.2018

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.136,25 EUR zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges Nissan mit der Fahrgestellnr.: ….

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Streithelferin trägt ihre Kosten selbst.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger kaufte bei der Beklagten das im Klageantrag näher bezeichnete Fahrzeug Nissan Juke zu einem Preis von 12.775,- EUR. Das Fahrzeug verfügt entgegen dem Angebot vom 16.09.2016 nicht über einen höhenverstellbaren Fahrersitz.

Am 16./20.01.2017 teilte die X GmbH, eine Nissan Vertragswerkstatt, dem Kläger mit, dass der Sitz ein sicherheitstechnisches Bauteil und Bestandteil der ABE seines Fahrzeuges und damit eine Umrüstung nicht erlaubt sei. Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.02.2017 forderte der Kläger von der Beklagten die Kosten für eine Umrüstung mit einem höhenverstellbaren Sitz in Höhe von 1.511,46 EUR. Die Beklagte bot mit Schreiben vom 20.02.2017 den Einbau eines höhenverstellbaren Sitzes an. Mit Schreiben vom 17.03.2017 teilte die Nissan Deutschland Kundenbetreuung dem Kläger auf Anfrage mit, dass der Einbau eines höhenverstellbaren Sitzes für das Fahrzeug nicht freigegeben sei.

Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 03.05.2017 den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Mit Schreiben vom 23.03.2018 teilte Nissan Deutschland der Beklagten mit, dass der nachträgliche Einbau eines höhenverstellbaren Sitzes in das streitbefangene Fahrzeug möglich und zulässig sei.

Das Fahrzeug hat eine zu erwartende Gesamtlaufleistung von 200.000 Kilometern und ist bis heute etwa 10.000 Kilometer gelaufen.

Der Kläger behauptet, der Verkaufsberater und der Niederlassungsleiter der Beklagten hätten sowohl eine Nachbesserung als auch die Rückabwicklung abgelehnt. Eine Nachbesserung sei nicht möglich, jedenfalls habe er auf die Aussagen des Herstellers und des Autohaus X vertrauen dürfen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 12.755,00 EUR zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer ….

2. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 958,19 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Beklagte nur Zug-um-Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungsentschädigung zu verurteilen, die sich nach der Formel berechnet: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / Gesamtlaufleistung.

Die Streithelferin schließt sich diesen Anträgen an.

Die Beklagte behauptet, der Einbau eines höhenverstellbaren Fahrersitzes in das Fahrzeug des Klägers sei zulässig und möglich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Rückabwicklung Fahrzeugkaufvertrag - Entbehrlichkeit der Nachbesserungsfrist
(Symbolfoto: Mikbiz/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 2, 323, 440 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 12.755,00 EUR Zug-um-Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeugs mit der Fahrgestellnummer … sowie Herausgabe der gezogenen Nutzungen. Der Kläger ist wirksam von dem unstreitig mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug zurückgetreten.

Das Fahrzeug ist unstreitig mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Es verfügt über keinen höhenverstellbaren Fahrersitz, obgleich ein solcher unstreitig Gegenstand des dem Vertrag zugrunde liegenden Angebots war.

Unschädlich ist, dass der Kläger der Beklagten entgegen § 323 Abs. 1 BGB keine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat. Eine solche Frist ist gemäß § 440 S. 1 Alt. 2 BGB entbehrlich. Dem Kläger war nicht zuzumuten, die Beklagte eine Nachbesserung versuchen zu lassen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Nachbesserung unzumutbar ist, kommt es allein auf die Perspektive des Käufers an (Faust, in: BeckOK BGB, § 440 Rn. 36; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 440 Rn. 8). Einem Käufer ist aber nicht zuzumuten, einen Nachbesserungsversuch vornehmen zu lassen, wenn er berechtigt und nachvollziehbar davon ausgehen darf, dass die Nachbesserung jedenfalls erfolglos bleiben werde. Genau dies ist vorliegend aber der Fall. Der Kläger konnte berechtigt davon ausgehen, dass eine Nachbesserung nicht möglich, von Nissan nicht freigegeben, jedenfalls sicherheitstechnisch bedenklich war. Insoweit durfte er auf die Aussagen von Nissan Deutschland und dem Autohaus X vertrauen. Diese bestätigten ihm unabhängig voneinander, dass ein nachträglicher Einbau eines höhenverstellbaren Fahrersitzes nicht möglich sei. Ein solcher Einbau sei aus sicherheitstechnischen Bedenken nicht möglich und vom Hersteller nicht freigegeben. Dabei ist zu betonen, dass der Kläger zwei unabhängige, aber im Ergebnis gleichlautende Auskünfte erhielt, wobei er der Aussage des Herstellers Nissan Deutschland besonderes Gewicht beimessen durfte. Jedenfalls in Zusammenschau beider Auskünfte musste der Kläger sich nicht auf das Angebot der Beklagten eines nachträglichen Einbaus einlassen, das aus seiner Sicht sicherheitstechnische Bedenken eröffnen würde.

Die Tatsache, dass Nissan seine Äußerung zu einem späteren Zeitpunkt gegenüber der Beklagten widerrief, ist unerheblich. Maßgeblich für die Frage der Zumutbarkeit der Nacherfüllung ist der Erkenntnisstand des Käufers in dem Zeitpunkt, in dem er seine Sekundärrechte geltend macht (Faust, in: BeckOK BGB, § 440 Rn. 36). Zu diesem Zeitpunkt war die Äußerung seitens Nissan noch nicht widerrufen, sodass der Käufer weiterhin auf die Aussagen vertrauen durfte.

Der Rücktritt des Klägers ist auch nicht ausnahmsweise gemäß § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen. Der Mangel an dem Fahrzeug ist nicht unerheblich. Der Mangel ist dann erheblich, wenn er mindestens 5 % des Kaufpreises ausmacht (BGH NJW 14, 3229; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 323 Rn. 32). Der Einbau eines höhenverstellbaren Sitzes hätte vorliegend aufgrund des Kostenvoranschlages 1.511,46 EUR gekostet. Dies sind mehr als 10 % des Kaufpreises.

Infolge des wirksamen Rücktritts sind gemäß § 346 Abs. 1 BGB die beiderseits geschuldeten Leistungen zurück zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger den Kaufpreis zurück zu erstatten Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeuges sowie abzüglich einer Entschädigung für die Nutzung gemäß § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Dabei ist die Gegenleistung der Wertermittlung zugrunde zu legen (Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rn. 10). Der Wert der Nutzungsentschädigung ergibt sich auf Grundlage der Formel: Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / Gesamtlaufleistung (Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rn. 10). Dem ist ein Bruttokaufpreis von 12.775,00 EUR zugrunde zu legen. Die Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 200.000 Km. Der Vortrag des Klägers zur tatsächlichen Lauleistung ist unbestritten.

Es ergeben sich mithin eine Nutzungsentschädigung von 12.775 EUR/200.000 Km x 10.000 Km = 638,75 EUR und mithin ein Zahlungsanspruch von 12.775 EUR – 638,75 EUR = 12.136, 25 EUR.

2. Der Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten ergibt sich aus den §§ 437 Nr. 3, 440, 280 BGB.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101, 709 ZPO.

Streitwert: 12.755,00 EUR.

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