LG Bochum – Az.: 2 O 209/14 – Urteil vom 06.02.2015
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.267,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2014 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw BMW 5er, Fahrgestellnummer „#.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 841,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.9.2014 zu zahlen.
Es wird festgesellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des Pkw BMW 5er, Fahrgestellnummer …, seit dem 24.2.2014 in Verzug befindet.
Es wird festgestellt, dass die Klage im Umfang eines Anspruchs auf Zahlung von 1.784,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2014 erledigt ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 28.1.2014 einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Pkw BMW, Kilometerstand 170.000, zum Preis von 14.500 EUR. Im schriftlichen Kaufvertrag hieß es: „Das Auto ist unfallfrei.“
Für Reparaturen des Fahrzeugs und Vorführungen zur Hauptuntersuchung wendete der Kläger 2.117,38 EUR auf.
Der Kläger beauftragte das Sachverständigenbüro F mit der Begutachtung des Fahrzeugs. Dieses nahm Messungen der Lackschichtendicke vor und kam in seinem Gutachten vom 5.4.2014 zu dem Ergebnis, dass Teile des Fahrzeugs gespachtelt worden seien und deswegen Schäden mit Blechbeteiligung vorgelegen hätten. Die Kosten des Gutachtens betrugen 841,69 EUR.
Mit Anwaltsschreiben vom 17.2.2014 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 28.2.2014 auf, den Kaufpreis und die vergeblichen Aufwendungen zu erstatten, Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des Kaufgegenstands.
Der Kläger behauptet: In den Kaufvertragsverhandlungen habe der Beklagte ihm lediglich gesagt, dass das Fahrzeug an der rechten Seite leichte Kratzer gehabt habe und es daher zu Teilnachlackierungen in diesem Bereich gekommen sei.
Der Kläger beantragt, wie folgt zu erkennen:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.940,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2013 Zug um Zug gegen Rückübereignung des Pkw BMW 5er, Fahrgestellnummer #, zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 841,69 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.3.2014 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des Pkw BMW 5er, Fahrgestellnummer #, seit dem 24.2.2014 in Verzug befindet.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte behauptet: In den Kaufvertragsverhandlungen habe er den Kläger über Folgendes aufgeklärt:
Kurz nachdem er im September 2011 das Fahrzeug erworben hatte, habe ihm ein Unbekannter das Fahrzeug verkratzt. Die Kratzer hätten sich auf der rechten Seite von hinten nach vorne befunden und seien recht tief ins Blech hinein gegangen. Daraufhin habe er das Fahrzeug, ausgenommen das Dach, neu lackieren lassen. Die Lackierung sei auch bis auf eine Stelle an der Stoßstange, die zu dick lackiert worden sei, ordnungsgemäß erfolgt.
Die Klage ist dem Beklagten am 16.9.2014 zugestellt worden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im erkannten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
1. Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 323, 346, 434, 437 Nr. 2 BGB auf Zahlung von 10.150 EUR.
a) Vereinbarte Beschaffenheit des Fahrzeugs war, dass dieses unfallfrei sein sollte. Das ergibt sich aus dem unstreitigen Inhalt des schriftlichen Kaufvertrags. Die Vertragsurkunde hat die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Der Beklagte ist für seine Behauptung, den Kläger über den Vandalismusschaden aufgeklärt zu haben, beweisfällig geblieben.
b) Tatsächlich war das Fahrzeug nicht unfallfrei. Auch der durch Vandalismus verursachte Schaden ist ein Unfall im Sinne einer von außen her auf das Fahrzeug plötzlich einwirkenden mechanischen Gewalt.
Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 20. Mai 2009 – VIII ZR 191/07 -, BGHZ 181, 170-179, betreffend einen Fall, in dem Kratzschäden durch eine Neulackierung beseitigt wurden, ausgeführt:
„Bei einem Unfallfahrzeug kann auch dann, wenn der Unfallschaden vollständig und fachgerecht beseitigt wurde, wegen eines merkantilen Minderwerts noch ein Mangel bestehen bleiben, weil der Charakter eines Fahrzeugs als Unfallfahrzeug sich nicht durch Nachbesserung korrigieren lässt (BGHZ 168, 64, Tz. 17; Senatsurteil vom 12. März 2008 – VIII ZR 253/05, NJW 2008, 1517, Tz. 21). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines erheblich beschädigten Kraftfahrzeugs bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen eines nicht auszuschließenden Verdachts verborgen gebliebener Schäden und des Risikos höherer Schadensanfälligkeit infolge nicht fachgerechter Reparatur, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines derart beschädigten Kraftfahrzeugs besteht (vgl. BGHZ 161, 151, 159 f.).
Eine solche Fallgestaltung ist indessen bei einer Neulackierung zur Beseitigung von Kratzschäden an der äußeren Hülle des Fahrzeugs nicht gegeben, weil dieser Schaden durch eine fachgerechte Neulackierung ohne verbleibende technische Risiken zuverlässig beseitigt werden kann. Anders als bei Unfallschäden steht hier nicht zu befürchten, dass verborgen gebliebene Schäden zurückbleiben oder sonst unkalkulierbare Risiken einer erhöhten Schadensanfälligkeit bestehen. Genauso wie der Austausch beschädigter Teile eines Kraftfahrzeugs für sich allein nicht die Zubilligung eines Anspruchs auf Ersatz eines merkantilen Minderwerts rechtfertigen kann (MünchKommBGB/Oetker, aaO, § 249 Rdnr. 54), bleibt auch unter den hier gegebenen Umständen nach einer fachgerecht durchgeführten Neulackierung kein ersatzfähiger merkantiler Minderwert zurück.“
Um reine Kratzschäden wie in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall geht es vorliegend nicht. Wie der Beklagte vorträgt, sind die Kratzer „recht tief ins Blech gegangen“ und es wurden Spachtelarbeiten durchgeführt. Die Kratzschäden haben also vorliegend den Charakter von Blechschäden. Bei Blechschäden kann trotz vollständiger und fachgerechter Beseitigung ein merkantiler Minderwert verbleiben, weshalb es sich um Unfallschäden handelt.
c) Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung nach § 323 Abs. 1 BGB ist nicht erforderlich, da die Nacherfüllung nach § 275 BGB unmöglich ist. Ein unfallbehaftetes Fahrzeug kann nie mehr, auch nicht durch eine fachgerechte Reparatur, zu einem unfallfreien Fahrzeug gemacht werden. Eine Nachlieferung ist nicht möglich, da der gekaufte Gebrauchtwagen einzigartig ist.
d) Der Kläger hat den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.
e) Nach § 346 BGB sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren, mithin der Kaufpreis zurückzuzahlen.
Der Kläger hat für die gezogenen Nutzungen Wertersatz zu leisten. Bei dem BMW ist von einer Gesamtfahrleistung bis zur annähernden Wertlosigkeit des Fahrzeugs von 250.000 km auszugehen (nicht 300.000 km, wie der Kläger meint). Bei Kaufvertragsschluss betrug der Kilometerstand 170.000, so dass von einer Restlaufleistung von 80.000 km auszugehen ist. Der aktuelle Kilometerstand beträgt 194.000, so dass der Wertersatz für die Nutzung 24.000 km x 14.500 EUR : 80.000 km = 4.350 EUR beträgt.
Entsprechend besteht noch ein Anspruch des Klägers in Höhe von 14.500 EUR – 4.350 EUR = 10.150 EUR
2. Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 284, 434, 437 Nr. 3 BGB auf Zahlung von 2.117,38 EUR. Die Aufwendungen für Reparaturen des Fahrzeugs und Vorführungen zur Hauptuntersuchung hat der Kläger im Vertrauen auf den Erhalt der mangelfreien Leistung gemacht und durfte sie auch billigerweise machen, so dass sie von dem Beklagten zu ersetzen sind.
Insgesamt ergibt sich so ein Hauptanspruch in Höhe von 10.150 EUR + 2.117,38 EUR = 12.267,38 EUR.
3. Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 286, 288 BGB auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 12.267,38 EUR seit dem 3.3.2014. Der Beklagte geriet in Verzug, indem er nicht entsprechend dem Mahnschreiben vom 17.2.2014 bis zum 28.2.2014 Zahlung leistete.
4. Bei Klageerhebung hatte der Kläger bei der Berechnung seines Antrags aufgrund der damaligen Laufleistung in der klägerischen Besitzzeit von 8.000 km einen Gebrauchsvorteil von 892,30 EUR abgezogen. Der zuletzt gestellte Antrag berücksichtigt wegen der nunmehrigen Laufleistung in der klägerischen Besitzzeit von 24.000 km einen Gebrauchsvorteil von 2.676,92 EUR. Die Klageänderung ist daher dahin auszulegen, dass hinsichtlich der Differenz von 1.784,62 EUR nebst Zinsen der Rechtsstreit für erledigt erklärt wird, d.h. Antrag auf Feststellung der Erledigung gestellt wird. Der Antrag ist begründet. Bei der bei Klageerhebung zurückgelegten Laufleistung von 8.000 km war ein Wertersatz für die Nutzung in Höhe von 8.000 km x 14.500 EUR : 80.000 km = 1.450 abzuziehen. Nun sind es, wie oben ausgeführt, 4.350 EUR, so dass die Klage in Umfang von 1.784,62 EUR nebst Zinsen erledigt ist (hinsichtlich der darüber hinausgehenden Differenz zwischen 4.350 EUR und 1.450 EUR ist die Klage unbegründet, da der Kläger von einer falschen zu erwartenden Gesamtlaufleistung ausgeht).
5. Entsprechend dem klägerischen Antrag ist der Beklagte zur Leistung Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des Pkw zu verurteilen.
6. Der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten seit dem 24.2.2014 ist begründet. Dem Beklagten geriet in Annahmeverzug, indem er das Angebot im Schreiben vom 17.2.2014 ihm bei unverzüglicher (Rück-)Zahlung des Kaufpreises und der vergeblichen Aufwendungen den Pkw zurückzuübereignen, mangels Zahlung nicht annahm.
7. Der Kläger hat einen Anspruch aus § 280, §§ 434, 437 Nr. 3 BGB auf Ersatz der Kosten des Sachverständigengutachtens in Höhe von 841,69 EUR. Es handelt sich um durch den Mangel verursachte Rechtsverfolgungskosten.
8. Der Kläger hat einen Anspruch aus §§ 286, 288 BGB auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 841,69 EUR seit dem 16.9.2014. Ein früherer Verzugseintritt als durch die an diesem Tag erfolgte Klagezustellung liegt nicht vor. In dem Mahnschreiben vom 17.2.2014 wurden die Kosten des Sachverständigengutachtens nicht verlangt – die Rechnung des Sachverständigenbüros datiert auch erst vom 2.5.2014.
9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
10. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 16.766,77 EUR (15.725,08 EUR für den Antrag zu 1), 841,69 EUR für den Antrag zu 2) und 200 EUR für den Antrag zu 3)) für die Zeit bis zum 28.1.2015 (Eingang des Schriftsatzes vom 27.1.2015 mit der Klageänderung) und auf 14.982,15 EUR (13.940,46 EUR für den Antrag zu 1), 841,69 EUR für den Antrag zu 2) und 200 EUR für den Antrag zu 3)) für die Zeit danach festgesetzt.