Gebrauchtwagen-Inzahlungnahme: Impliziter Ausschluss der Gewährleistung
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in seinem Beschluss vom 29.06.2020 (Az.: 3 U 105/19) den Rechtsstreit um den Ausschluss von Gewährleistungsansprüchen bei der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens entschieden. In diesem Rechtsfall war ein Autohändler verklagt worden, weil er nach dem Ankauf eines Gebrauchtwagens Mängel geltend machen wollte. Die Klägerin berief sich auf die Annahme, dass bei der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens eine stillschweigende Gewährleistung nicht ausgeschlossen werden kann. Das Hauptproblem bestand darin, ob es tatsächlich einen konkludenten, also stillschweigenden, Gewährleistungsausschluss gibt, wenn ein Gebrauchtwagen in Zahlung genommen wird.
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Übersicht
Verhandlungsabsichten und Interessenlage
Das Gericht ging bei seiner Entscheidung von der typischen Interessenlage aus, die zwischen den beiden Vertragsparteien besteht. Ein Gebrauchtwagenkäufer ist oft daran interessiert, sein altes Fahrzeug in Zahlung zu geben, um den Kauf eines neuen oder gebrauchten Fahrzeugs zu finanzieren. Sein primäres Interesse liegt dabei, den Wert seines alten Fahrzeugs im Rahmen des neuen Kaufvertrags angerechnet zu bekommen, ohne befürchten zu müssen, später wegen des Zustands des alten Fahrzeugs belangt zu werden.
Position des KFZ-Händlers
Auf der anderen Seite hat der Autohändler ein ebenso starkes Interesse daran, den Gebrauchtwagen des Kunden anzukaufen und zu verkaufen. Es ist Teil seines Geschäftsmodells, sowohl Neuwagen als auch Gebrauchtwagen zu verkaufen. Dabei hat der Händler die technischen und rechtlichen Möglichkeiten, sich gegen das Risiko von Mängeln zu schützen. Vor dem Vertragsabschluss kann er den Zustand des in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens prüfen und sich durch bestimmte Beschaffenheitsangaben absichern.
Konkludenter Gewährleistungsausschluss
Entscheidend für das Gericht war, dass der Händler durch die Annahme eines stillschweigenden Gewährleistungsausschlusses nicht unzumutbar belastet wird. Der Händler hat es in der Hand, sich die wesentlichen Eigenschaften des in Zahlung genommenen Fahrzeugs als Beschaffenheitsangabe zusichern zu lassen. Wenn er darauf verzichtet, kann der Kunde, unabhängig davon, ob er einen Neuwagen oder einen Gebrauchtwagen kauft, davon ausgehen, dass er bei eventuellen Mängeln des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs nicht in Anspruch genommen wird.
Die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Brandenburg bestätigt damit die bisherige Linie, dass bei der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens ein konkludenter Gewährleistungsausschluss angenommen werden kann. Damit hat der Käufer Rechtssicherheit, während der Händler den Umfang seiner Gewährleistung selbst bestimmen kann.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 U 105/19 – Beschluss vom 29.06.2020
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28.06.2019, Aktenzeichen 12 O 75/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.260,50 € festgesetzt.
Gründe
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28.06.2019 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin,
1. die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 11.260,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu Lasten der Beklagten zu 1. ab dem 01.02.2018 und zu Lasten der Beklagten zu 2. ab dem 02.08.2018 zu zahlen,
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin weitere 1.117,87 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das in Zahlung gegebene Fahrzeug … mit der FIN-Nr. … Zug um Zug gegen die Zahlung nach Ziffer 1. bei der Klägerin abzuholen und vom Betriebsgelände zu beräumen,
4. festzustellen, dass die Beklagte zu 1. mit der Abholung des unter Ziffer 3. genannten Fahrzeuges seit dem 01.02.2018 und die Beklagte zu 2. seit dem 02.08.2018 in Annahmeverzug sind.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 28.06.2019, Aktenzeichen 12 O 75/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Die Gegenerklärung der Klägerin, die im Wesentlichen darauf abstellt, dass bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens ein stillschweigender Gewährleistungsausschluss nicht in Betracht komme, bietet keinen Anlass, von dieser Beurteilung abzuweichen. Entgegenstehende Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte oder des Bundesgerichtshofes stehen dieser Einschätzung nicht entgegen, so dass eine Zulassung der Revision nicht angezeigt ist.
Zwar bezieht sich die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe explizit nur auf den Kauf eines Neufahrzeuges vom Kraftfahrzeughändler gegen Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens. Diese Rechtsprechung lässt sich aber auf den Kauf eines Gebrauchtwagens vom Händler gegen Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens des Käufers übertragen. Es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob die Hingabe eines Altfahrzeugs mit dem Kauf eines neuen oder gebrauchten Fahrzeugs zusammenhängt (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl. Rn 4043).
Sowohl nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe als auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 21.04.1982, NJW 1982, 1700) ist der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Annahme eines konkludenten Gewährleistungsausschlusses im Hinblick auf das in Zahlung genommene Fahrzeug des Käufers nicht die Tatsache, dass dieser einen Neuwagen erworben hat, sondern die typische Interessenlage der beteiligten Vertragsparteien bei Vertragsabschluss (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn 4044). Auch bei dem Kauf eines Gebrauchtwagens von einem KFZ-Händler gegen die Inzahlungnahme des alten Fahrzeugs liegt es im erkennbaren Interesse des Käufers, der ohne diese das Fahrzeug nicht erwerben könnte oder wollte, sicher sein zu können, in welcher Höhe sein altes Fahrzeug angerechnet wird, ohne befürchten zu müssen, nach Vertragsschluss wegen des Zustands des Wagens in Anspruch genommen zu werden. Gleichermaßen hat der KFZ-Händler, zu dessen Geschäft neben dem Verkauf von Neuwagen auch der Verkauf gebrauchter Fahrzeuge gehört, ebenso wie bei dem Verkauf eines Neuwagens das Interesse, den Vertragspartner als Kunden zu gewinnen, wenn er einen Gebrauchtwagen verkaufen will. Zudem ist entscheidend – insoweit besteht ebenfalls kein Unterschied zum Verkauf eines Neuwagens -, dass der Händler die technischen und rechtlichen Möglichkeiten hat, sich gegen das Mängelrisiko zu schützen. Er hat es in der Hand, sich vor Vertragsschluss über den Zustand des Gebrauchtwagens, den er in Zahlung nehmen will, zu vergewissern und durch bestimmte Beschaffenheitsangaben, die einem Gewährleistungsausschluss vorgehen, abzusichern. Der Händler wird durch die Annahme eines konkludenten Gewährleistungsausschlusses auch nicht über Gebühr belastet. Es liegt an ihm, sich die wesentlichen, für ihn wichtigen Eigenschaften des Kundenfahrzeugs verbindlich als Beschaffenheitsangabe zusichern zu lassen. Wenn der Fahrzeughändler auf solche Gestaltungsmöglichkeiten verzichtet, kann der Vertragspartner, egal ob er einen Neuwagen oder einen Gebrauchtwagen erwirbt, davon ausgehen, dass er bei eventuellen Mängeln des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs nicht in Anspruch genommen wird (OLG Karlsruhe, Urteil vom 04.12.2018, 9 U 106/16).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.